Infoveranstaltung am 31.10.2012 zu dem Themenschwerpunkt mit rechtlicher Diskussion: Ist das Handelsgesetzbuch (HGB) auf eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die sich in Rechtsform zu einer GbR zusammengeschlossen hat, anzuwenden. Veranstaltungsleiter Rechtsanwälte Dr. Thomas Schulte, Ralf Hornemann aus Berlin und Geschäftsführer der Brunzel Bau GmbH, Hans-Heiko Brunzel aus Velten. Die Brunzel Bau GmbH seit mehr als zwanzig Jahren erfolgreich in der Bauwirtschaft in Berlin und Brandenburg tätig, sammelte bereits große Erfahrungen sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Hochbau.
Hans-Heiko Brunzel eröffnet die Infoveranstaltung mit einem kurzen Abriss zu den Veränderungen am Hausbaumarkt: „Wir, die Unternehmer der Baubranche haben festgestellt, dass es nicht mehr nur genügt der Menschheit ein sicheres Dach über dem Kopf zu ermöglichen, sondern zu erstklassiger Qualität zum angemessenem Preis, verbunden mit überzeugender Dienstleistung in der Betreuung auch die rechtlichen Richtlinien und Anforderungen immer mehr ins Gewicht fallen. Der Trend, dass eine rechtliche Begleitung des gesamten Bauvorhabens nicht erst beim Auftreten von Problemen erfolgt, sondern bereits von Anfang an juristischer und vor allem baufachlicher Rat hinzugezogen wird. Somit ist es unumgänglich sich auch auf unserer Seite abzusichern und durch Seminare einen besseren Einblick in die rechtlichen Bestimmungen zu erlangen.“
Rechtsanwalt Ralf Hornemann erläutert die rechtliche Problemstellung zum heutigen Thema: „Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat sich in seiner Berufungsentscheidung vom 22.02.2012, Az. 4 U 69/11, mit der Frage befasst, ob § 377 HGB auf eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) anzuwenden ist, die sich in Rechtsform einer GbR zusammengeschlossen hat. § 377 HGB gilt grundsätzlich nicht für Verbraucher, uneingeschränkt jedoch für Kaufleute im Sinne des HGB. Vorliegend war zu entscheiden, ob die GbR diese Voraussetzungen erfüllt.“
„Der Entscheidung lag folgender vereinfachter Sachverhalt zugrunde“, erklärt Rechtsanwalt Hornemann weiter. „Der Kläger, ein Fertigbauteilhersteller und die Beklagte, eine ARGE, die aus zwei Vollkaufleuten besteht und als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist, schlossen einen Werklieferungsvertrag. Vereinbarungsgemäß lieferte der Fertigbauhersteller (Verkäufer) im Zuge der Vertragsabwicklung die bestellten Betonfertigbauteile an die ARGE (Käufer) aus. Diese nahm die Fertigbauteile entgegen, ohne die Lieferung zu untersuchen bzw. zu prüfen“.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte weist die Teilnehmer auf folgende klare rechtliche Vorgabe hin: „Gemäß § 377 HGB muss bei einem Handelskauf der Käufer die gelieferten Waren unverzüglich untersuchen, was grundsätzlich auch bei Sukzessivlieferungen wenigstens eine stichprobenweise Untersuchung jeder Lieferung beinhaltet. Einen hierbei erkennbaren Mangel muss der Käufer unverzüglich anzeigen. Unterlässt der Käufer hingegen die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt und der Käufer muss trotz etwaiger Mängel die vereinbarte Vergütung zahlen. Dies gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn es sich um einen Mangel handelt, den der Käufer bei der Untersuchung nicht hätte erkennen können (§ 377 Abs. 2 HGB).“
Eine solche Untersuchung hat der Käufer (ARGE) im vorliegenden Fall nicht vorgenommen und die Mangelhaftigkeit deshalb auch nicht gerügt. Die Betonfertigbauteile wurden bestimmungsgemäß verbaut.
Rechtsanwalt Ralf Hornemann weiter: „Mit einer Klage macht der Fertigbauteilhersteller seinen Vergütungsanspruch wegen der Herstellung und Lieferung der Betonfertigbauteile geltend. In dem gerichtlichen Verfahren behauptet der Käufer (ARGE), dass die gelieferten Bauteile wegen unzulässig hohen Toleranzabweichungen vom Sollmaß mangelhaft seien. Wegen der Kosten für die erforderliche Sanierung des Bauobjektes und des Minderwerts der gelieferten Bauteile sei der Vergütungsanspruch des Fertigbauherstellers letztlich auf null gemindert.“
Das Landgericht Potsdam hat der Klage des Verkäufers in vollem Umfang stattgegeben. Das OLG Brandenburg bestätigt in seiner Berufungsentscheidung die Entscheidung des Landgerichts Potsdam.
Hans-Heiko Brunzel hierzu: „Was bedeutet dieser Fall mit der Entscheidung für die Baubranche, worauf sollte geachtet werden, wie sollten man sich in der Praxis verhalten?“
Rechtsanwalt Dr. Schulte hierzu: „Die Entscheidung des OLG Brandenburg hat sehr hohe Praxisrelevanz. Die Entscheidung zeigt, dass der Anwendungsbereich des § 377 HGB von den Gerichten tendenziell weit ausgelegt wird. Deshalb ist für Kaufleute, auch wenn sie wie hier in Form einer GbR zusammengeschlossen sind, höchste Sorgfalt geboten, denn bei Handelsgeschäften führt das Unterlassen der Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 377 Abs. 1 HGB dazu, dass die Ware – wie geliefert – als genehmigt gilt (eine Ausnahme gilt gem. § 377 Abs. 2 HGB nur für versteckte Mängel). Dadurch werden sämtliche Mängelrechte des Käufers ausgeschlossen! Dies kann insbesondere bei größeren Bauvorhaben, bei denen oftmals umfangreiche Baustofflieferungen erfolgen, zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen.“
V.i.S.d.P.:
Ralf Hornemann
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