Infoveranstaltung am 11.10.2012 zu dem Themenschwerpunkt mit rechtlicher Diskussion „Funktionale Leistungsbeschreibung und Pauschalpreis – keine Chance für Mehrvergütung?“ in der Immobilienbranche. Veranstaltungsleiter Dr. Thomas Schulte – Rechtsanwalt und Gründungsmitglied der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte in Berlin, Ralf Hornemann – Rechtsanwalt und Hans-Heiko Brunzel – Geschäftsführer der Brunzel Bau GmbH in Velten. Die Brunzel Bau GmbH seit mehr als zwanzig Jahren erfolgreich in der Bauwirtschaft in Berlin und Brandenburg tätig, sammelte bereits große Erfahrungen sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Hochbau.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte erläutert die Problemstellung: „Das Problem kennt jeder Unternehmer: Der Auftraggeber möchte den Preis deckeln, aber gleichzeitig den Leistungsumfang soweit offen halten, dass der Auftragnehmer im Zweifel mehr zu leisten hat, als ursprünglich vereinbart war. Wie kommt man aus dieser Falle wieder heraus? Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.06.2011, Aktenzeichen VII ZR 13/10 eröffnet eine Möglichkeit, welche Leitlinien gibt es?“
Der Bundesgerichtshof hatte folgenden Fall zu entscheiden: in der funktionalen Leistungsbeschreibung einer Zulageposition für den Abbruch von Estrich ist die Estrichstärke durch den Auftraggeber mit „3cm, geschätzt“ angegeben worden. Als Vergütung war eine Pauschale vereinbart. Der abzubrechende Estrich wies aber eine Stärke von über 4cm auf, so dass der Auftragnehmer Vergütung des anfallenden Mehraufwandes verlangte. Das bedeutet einen Mehraufwand von über 30%!
Heiko Brunzel ergänzt unter zustimmendem nicken der Unternehmerkollegen: „In der Tat, ja. Soviel Reserve kann kaum jemand in der Kalkulation berücksichtigen. Das heisst, hier werden nicht nur die kalkulierten Gewinne aufgezehrt, sondern auch noch Verlust eingefahren. Das darf nicht sein.“
Rechtsanwalt Ralf Hornemann kann die Teilnehmer beruhigen: „Das sieht auch der BGH so, steuert aber nicht unmittelbar auf einen Anspruch auf Mehrvergütung zu. Es muss durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133 und 157 BGB ermittelt werden, ob eine detaillierte Angabe in einer funktionalen Leistungsbeschreibung die Pauschalierung der Vergütung begrenzt. Dabei sind „der wirkliche Wille zu erforschen“ und die niedergeschriebenen Vereinbarungen „nach Treu und Glauben“ auszulegen.
Dabei kann es zu dem Ergebnis kommen, dass die detaillierte Angabe lediglich die Geschäftsgrundlage des Vertrages beschreibt, wie der BGH sagt. Dies könne, wie im entschiedenen Fall geschehen, insbesondere dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen durfte, der Auftraggeber habe durch die detaillierten Angaben der die Mengen beeinflussenden Faktoren eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationgrundlage geben wollen.“
Heiß diskutiert wurde daraufhin natürlich die Frage, welche Folgen das für den Unternehmer haben wird.
Dr. Thomas Schulte erläutert die Sichtweise des Bundesgerichtshofes:
„Die Lösung des BGH über die Auslegungsregeln nach den §§ 133,157 BGB bietet die Möglichkeit, die pauschale Vergütungsvereinbarung sodann über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach §313 BGB zu kippen. In diesen Fällen leitet der BGH einen Anspruch auf Vergütung der Mehraufwendungen aus §2 Nr 7 Absatz 1 Satz 2 VOB/B her. Dort heißt es:
Weicht jedoch die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich ab, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (§313 BGB), so ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren.“
Wirken sich die von den irreführenden Angaben des Auftraggebers im Vertrag abweichenden Mengen derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Auftragnehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt, wird das Festhalten an der Preisvereinbarung in der Regel nicht mehr zumutbar sein.“
Dann kann also nichts mehr passieren und der Unternehmer ist aus dem Schneider?
Rechtsanwalt Ralf Hornemann muss die Erleichterung bei den anwesenden Unternehmern bremsen: „Leider nicht. Der BGH erteilt zwar auch einer starren Risikogrenze von 20%, bis zu der der Unternehmer eben Pech hätte, wenn sich die Mengen ändern, eine Absage. Der Unternehmer wird aber künftig darlegen müssen, dass er bei Änderung mengenrelevanter Detailvorgaben mehr als seine kalkulierten Gewinne opfern müsste. Nicht jeder wird sich dazu in der Lage sehen. Es besteht auch die Gefahr, dass die unteren Instanzen eben nicht über die Auslegung des Vertrages zum Ergebnis gelangen, dass detaillierte Mengenangaben zu einer Geschäftsgrundlage erhoben wurden und über deren Wegfall das Risiko des Unternehmers begrenzt werden kann. Das bedeutet praktisch, dass im Zweifel der Unternehmer auf dem Verlust und den Prozesskosten sitzen bleibt!“
Hans-Heiko Brunzel erläutert seine Sichtweise zum Verständnis bildlich wie folgt: „Erst einmal ist das Urteil des BGH zu begrüßen. Denn ein vielfach auftauchendes Problem wird zu einer sachgerechten Lösung gebracht. Dennoch lauern Fallstricke.“
Dr. Schulte hierzu: „Es kommt also darauf an, im Vorfeld zu prüfen, wie die funktionale Leistungsbeschreibung und die Vergütungsvereinbarung ausgestaltet sind und welche weiteren Abreden die Auslegungsmöglichkeiten der Gerichte zugunsten des Unternehmers beeinflussen. Hier hilft dann der Spezialist.“
In der anschließenden Diskussion wurden weitere rechtliche Fragen beantwortet und Erfahrungsberichte ausgetauscht. Die Teilnehmer gingen in dem Wissen auseinander, das ein Schritt in die richtige Richtung vom Gesetzgeber unternommen wurde. Aber klar ist auch, dass weiterhin Handlungs- und Klärungsbedarf besteht, um zu mehr Gerechtigkeit in der Baubranche zu gelangen, damit dadurch ein verdient besseres Image erworben wird . Das wiederum geschieht, wenn aufeinander zugegangen wird, miteinander die Themen aufgearbeitet und Kompromisse zur Lösung gefunden werden ohne vor den Gerichten alles entscheiden zu müssen.
V.i.S.d.P.:
Ralf Hornemann
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