Aktuelle Brisanz: Verstärkte Rechtsstreitigkeiten über Kündigungen von Arbeitsverhältnissen durch Arbeitgeber, die von ihren Mitarbeitern in sozialen Netzwerken beleidigt werden. Nur neue Kleider für ein bekanntes Problem? Rechtsanwälte Dr. Thomas Schulte und Ralf Hornemann von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte führten durch dieses Seminar mit rechtlicher Diskussion zu diesem Themenschwerpunk.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte zum Hintergrund:
„Offenbar glauben viele Menschen immer noch, dass in den sozialen Netzwerken alles anders ist. Hemmungslos wird drauf los gepostet, ohne Sinn und Verstand, geschweige denn mit der Überlegung, wer das alles sehen könnte. So ist es nicht verwunderlich, das Verfahren mit solchem Hintergrund bei den Arbeitsgerichten immer mehr zunehmen. Bedenkenlos wird auf die Pinnwand gebracht, was einem gerade so zum Arbeitgeber einfällt. Meist ist es kein Lob. Und folgerichtig kommt dann die Kündigung.“
Bereits im Februar 2012 hatte das Verwaltungsgericht Ansbach auf eine geschäftsschädigende und ehrverletzende Äußerung über den Arbeitgeber auf der Facebook-Pinnwand eine (fristlose) Kündigung rechtfertigen würde. Das Verwaltungsgericht meinte, zwar dürfe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgend, „vertrauliche Kommunikation“ des Arbeitnehmers nicht dazu verwendet werden, eine Kündigung auszusprechen. Dies verstoße gegen Artikel 2 Abs. 1, Artikel 1 Abs. 1 GG. Das Verwaltungsgericht Ansbach meinte aber auch, dass bei Postings im „privaten Bereich“ des Facebook-Auftritts durchaus mit einer Veröffentlichung zu rechnen sei, so dass hier keine vertrauliche Kommunikation mehr vorgelegen habe. Zum Glück für den betroffenen Arbeitnehmer, hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 29.02.2012, Az.: 12 C 12.264 diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf. In vertraulichen Gesprächen, beispielsweise mit Arbeitskollegen oder Freunden, dürfe man darauf vertrauen, dass Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Man müsse also nicht damit rechnen, dass der Betriebsfrieden gestört oder das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber gestört werde. Dies gelte auch für den so genannten „Freunde-Bereich“ bei Facebook.
Rechtsanwalt Ralf Hornemann erläutert diese gesetzlichen Vorgaben wie folgt:
„Soweit so gut. Im entschiedenen Fall hatte der betroffene Arbeitnehmer nur eine überschaubare Anzahl von so genannten „Freunden“. Was aber, wenn dort mehrere hundert Freunde unterwegs sind? Die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Bochum hatte in relativ kurzem Abstand zwei ähnliche Probleme zu lösen. Unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1203/11 war zu entscheiden, ob ein Chat zweier Arbeitskollegen im Freunde-Bereich noch ein „vertrauliches Gespräch“ im Rechtssinne war. Die Kollegen hatten sich in drastischer Form mittels Formalbeleidigungen über ihren Arbeitgeber als „Drecksladen“ und „armseligen Saftladen“ ausgelassen. Die Kammer meint, dass aufgrund des technischen Wandels ein Chat im Internet immer häufiger das persönlich gesprochene Wort ersetze. Solange diese Dialoge nicht für jedermann zugänglich seien, sondern nur von einem überschaubaren Kreis von Personen bzw. Freunden, handele es sich eben noch um ein „vertrauliches Gespräch“.“
Bei den Seminarteilnehmern, die zu großen Teilen selbst Unternehmer Arbeitgeber für eine Vielzahl von Mitarbeitern sind, stößt das Urteil auf geteilte Resonanz. Völliges Unverständnis herrschte dann beim Bericht über ein weiteres Verfahren Rechtsanwalt Hornemann weiter:
„Unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1283/11 vom 29.03.2012 erklärte das Arbeitsgericht Bochum eine Kündigung eines Auszubildenden für unwirksam, der in seinem Facebook-Profil unter Arbeitgeber beleidigende Äußerungen über seinen Ausbildungsbetrieb gepostet hatte. Die Kammer war hier der Auffassung, dass unter diesen Umständen keine Vertraulichkeit mehr vorgelegen habe, weil eben nicht mehr in einem Chat, der nur von einem begrenzten Personenkreis mitgelesen werden könnte, sondern auf der Profilseite die abfälligen Äußerungen ausgebracht wurden. Gerettet haben den Azubi hier zwei Dinge: Zum ersten wurde trotz seines für einen Auszubildenden fortgeschrittenen Alters von 27 Jahren die Maßstäbe des Berufsbildungsgesetzes angelegt. Vereinfacht gesagt, ist ein Auszubildender nach Ablauf der Probezeit kaum mehr kündbar. Eine gewisse charakterliche Unreife darf bei Auszubildenden nicht wie bei anderen Beschäftigten ohne weitere Umstände zur Kündigung führen.
Zum zweiten sprach für den Auszubildenden, dass weitere Beschreibungen auf seinem Facebook-Profil derart gestaltet waren, dass eine mangelnde Ernstlichkeit dieser Aussagen anzunehmen sei. Glück gehabt.“
Ebenso interessant ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 21.03.2012, Az.: 1 Ca 148/11. Einer langjährigen Arbeitnehmerin wurde gekündigt, weil sie kritische bis beleidigende Äußerungen ihres Ehemannes auf dessen Facebook-Profil über ihre Arbeitgeberin sich durch Betätigen des „Like“-Buttons zu eigen gemacht habe. Das hat das Gericht für nicht zulässig erachtet. Die Problematik des vertraulichen Gespräches unter Freunden oder Arbeitskollegen handelt die Kammer mit einem Satz ab: Wer ein Statement über Facebook verbreite, dürfe nicht darauf vertrauen, dass diesem Statement der Charakter eines vertraulichen Gespräches zukomme. Es mache auch keinen Unterschied, ob ein Posting über den öffentlichen oder den so genannten privaten Bereich erfolge. Ein Facebook-Nutzer müsse immer mit einer „Veröffentlichung“ rechnen, auch wenn er über seinen privaten Facebook-Account abwertende Äußerungen verbreite.
Die anschließende Diskussion unter den Seminarteilnehmern wurde immer lebhafter und spitzte sich immer weiter zu, denn die Frage wo denn hier wohl die Grenze des Anstandes und des Respekt sei, brachte fast alle Seminarteilnehmer zu Wort. Dr. Thomas Schulte konnte die Anwesenden beruhigen:
„Es ist davon auszugehen, dass die Kammer nur deshalb allenfalls eine Abmahnung für gerechtfertigt hielt, weil auf die Beschwerde des Arbeitgebers der fragliche Eintrag umgehend gelöscht und darüber hinaus in einer Stellungnahme ausdrücklich versichert wurde, es zukünftig zu unterlassen, Einträge in dieser oder einer abgewandelten Form in soziale Netzwerke einzustellen. Damit sei zum Zeitpunkt des Ausspruches der fristlosen Kündigung keine Wiederholungsgefahr erkennbar gewesen. Man lasse sich also von den Ergebnissen der Gerichtsverfahren nicht täuschen. Beleidigungen oder Schmähkritik führen zur Kündigung, sofern sie nicht im vertraulichen Gespräch geäußert werden. Die dargestellten Fälle werden eher die Ausnahme als die Regel sein. Gute Erziehung findet nicht nur im Kindesalter statt, sondern zieht sich durch unser ganzes Leben, deshalb ist es heute umso wichtiger Werte wie Respekt, Achtung, Anstand und Vertrauen zu vermitteln und vorzuleben, hieraus ergeben sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.“
Nachtrag Oktober 2012:
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat im Fall des Auszubildenden im Oktober entschieden, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber rechtmäßig war und das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum abgeändert. Der Azubi durfte nicht annehmen, dass seine Äußerungen keine Auswirkung auf den Bestand des Ausbildungsverhältnisses haben würden. Denn sie seien einer Vielzahl von Personen zur Kenntnis gelangt. Auch die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses rechtfertigten keine andere Beurteilung, weil der Auszubildende bereits 27 Jahre alt war. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dumm gelaufen also am Ende.
V.i.S.d.P.:
Ralf Hornemann
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