Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Gesundheit und die
Gesundheitssysteme stehen im Mittelpunkt der Diskussionen beim 15. European
Health Forum Gastein, das heute in Bad Hofgastein eröffnet wurde. Sparen beim
Gesundheitspersonal, und damit bei einer angemessenen Versorgung kranker oder
pflegebedürftiger Menschen sei nicht nur unmenschlich, sondern habe auch völlig
unterschätzte gesundheitliche Folgekosten, kritisierte EHFG-Präsident Prof.
Günther Leiner.
Bad Hofgastein, 3. Oktober 2012 – Die vielfältigen
Auswirkungen der Krise auf die europäischen Gesundheitssysteme und die
Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Chancen, die der Druck
leerer Kassen für grundlegende Gesundheitsreformen darstellen kann – das sind
nur einige der aktuellen Themen auf der Tagesordnung des European Health Forum
Gastein (EHFG), das heute in Bad Hofgastein eröffnet wurde.
„Die Debatte um immer knapper werdende Mittel und die ökonomischen Zwänge in
Bezug auf Gesundheitsausgaben begleiten uns beim EHFG zwangsläufig seit Jahren“,
so EHFG-Präsident Prof. Dr. Günther Leiner. „Jetzt werden auch die menschlichen
Konsequenzen dieser Sparpolitik im Zuge der Krise immer sichtbarer.“
Es sei inakzeptabel und unerträglich, dass einerseits im Zuge von massiven
Einsparungen notwendige Gesundheitsleistungen in einem Ausmaß gekürzt werden,
dass dies zur echten Gefahr und Bedrohung für kranke Menschen wird, so der
EHFG-Präsident. „Andererseits fließen, trotz des Spardrucks, Mittel in unnötige
Strukturen und unnötige Leistungen. Wenn die Krise auch eine Chance bietet, dann
vielleicht die: Dass wir endlich dafür sorgen, die vorhandenen, begrenzten
Mittel tatsächlich zur optimalen Versorgung der Menschen einzusetzen, die sie
benötigen, und durch strukturelle Reformen dafür sorgen, dass das Geld nicht in
die falschen Kanäle geht.“
Dass die in einigen Ländern dramatischen Sparmaßnahmen zum Teil an die
Substanz der Gesundheitsversorgung gehen, ist inzwischen durch viele Daten
belegt. Der aktuelle Bericht OECD Health Data 2012 zeigt, dass 2010, nach Jahren
steigender Gesundheitsausgaben, in einer Reihe von europäischen Ländern massive
Einschnitte erfolgten. Zum Beispiel minus 7,6 Prozent in Irland, minus 7,3
Prozent in Estland oder minus 6,5 Prozent in Griechenland.
Sparen am Gesundheitspersonal
„Sehr oft gehen derartige Einsparungen auf die Kosten des
Gesundheitspersonals und somit der unmittelbaren Patientenversorgung“,
kritisierte Prof. Leiner. „Ein Beispiel ist etwa Bulgarien, wo die Gehälter des
Pflegepersonals 2010 um 10 bis 25 Prozent gekürzt wurden – kein Wunder, dass
jährlich 1.200 Pflegepersonen auswandern. In Rumänien führte eine 25prozentige
Reduktion der Spitalsgehälter zu einer Abwanderung von rund 2.500 Ärzten/-innen,
die dringend in der Patienten/-innenbetreuung gebraucht würden.“
Doch selbst in Ländern, wo der Spardruck nicht derartige Ausmaße annimmt,
steht Gesundheitspersonal unter enormen Belastungen, „nicht zuletzt aufgrund des
aktuellen Trends zur Ökonomisierung aller Bereiche, einschließlich des
Gesundheitssektors“, betonte Prof. Leiner.
Dramatische Konsequenzen bleiben
nicht aus – zunächst einmal für das Gesundheitspersonal selbst. Dem Institut für
Ärztegesundheit (Villingen) zufolge bereuen 35 Prozent der Klinikärzte/-innen in
Österreich und Deutschland ihre Berufswahl – eine solche Unzufriedenheit gilt
als ein zentraler Risikofaktor für Burnout. In der Slowakei fand eine Studie
unter den Mitarbeitern/-innen von stationären Einrichtungen eine Burn-out-Quote
von 33 Prozent.
Zu wenig Personal – mehr Infektionen
„Für den Alltag in Kliniken, Pflege- und Altersheimen hat all das fatale
Folgen“, kritisierte der EHFG-Präsident. „Denn wenn Ärzte und Pflegepersonen
unter Druck stehen, zu lange Arbeitszeiten haben, und wenn Stationen
unterbesetzt sind, dann hat das auch Konsequenzen für die Qualität der
Patientenbetreuung.“
Eine aktuelle Studie macht das besonders augenscheinlich. Je mehr
Patienten/-innen pro Pflegeperson zu betreuen sind, desto gefährdeter sind sie,
sich im Krankenhaus eine Harnwegsinfektion oder eine Infektion der
Operationswunde zuzuziehen. Und je höher der Anteil von Pflegepersonen mit
Burn-out, desto höher steigt auch die Infektionsrate.
„Für Einsparungen im Gesundheitssystem ist durchaus Raum – hier haben wir
noch lange nicht alle strukturellen Potenziale genutzt“, so Präsident Leiner.
„Bei den Gesundheitsberufen zu sparen, ist allerdings der völlig falsche Weg.
Durch Überbelastung wird das Personal krank, und durch das gestresste,
überforderte Personal werden die Patienten kränker statt gesünder. Das ist
unmenschlich – und kommt die Gesellschaft erst recht teuer.“
Das EHFG ist der wichtigste gesundheitspolitische Kongress der Europäischen
Union, mehr als 600 Entscheidungsträger aus 45 Ländern diskutieren vom 3. bis 6.
Oktober 2012 bereits zum 15. Mal zentrale Zukunftsthemen der europäischen
Gesundheitssysteme.
Fotos zum diesjährigen European Health Forum Gastein finden Sie unter http://www.ehfg.org/940.html.
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