Lieberknecht wirft der Bundesregierung „Arbeitsverweigerung“ vor

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht macht der Bundesregierung wegen der abgesagten Ost-West-Rentenangleichung schwere Vorwürfe. „Es ist eine Schande, dass wir es in Deutschland im Jahr 22 nach Vollendung der Einheit immer noch mit unterschiedlichen Altersbezügen in Ost und West zu tun haben“, sagte die CDU-Politikerin der „Berliner Morgenpost“. „Es gab eine klare Verabredung, dass dieses Problem endlich gelöst wird. Der Bund darf sich hier nicht aus der Verantwortung schleichen. Ich fordere die Koalition zum Tag der Deutschen Einheit auf, ihrer Verpflichtung nachzukommen“, bekräftigte Lieberknecht.

Der für den Aufbau Ost zuständige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner (CDU), hatten in der vergangenen Woche angekündigt, dass die Rentenangleichung trotz der entsprechenden Festlegung im Koalitionsvertrag bis zur Bundestagswahl 2013 nicht mehr auf den Weg gebracht wird. Lieberknecht nannte das einen „Fall von Arbeitsverweigerung, für den nun windelweiche Ausreden vorgebracht“ würden. Zwar könne sie sich vorstellen, dass die Zahlen- und Modellrechnungen, die hier vorgenommen werden müssen, nicht gerade einfach seien, aber in der Politik sei „vieles schwierig“. Friedrich hatte zuvor die Verantwortung an die Ost-Regierungschefs weitergereicht und erklärt, die Angleichung des Rentensystems wäre sofort möglich, wenn sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnten. Lieberknecht wies diese Äußerung zurück. Es sei Sache des Bundes, die Initiative zu ergreifen. „Ich wüsste nicht, dass wir diesbezüglich einen Gesetzentwurf aus Berlin verpasst haben. Oder soll der Bundesrat jetzt etwa den Rentenpart des schwarz-gelben Koalitionsvertrags übernehmen“, sagte sie der Zeitung. Auch die Beteuerung Bergners, dass die faktischen Verlierer aller derzeit diskutierten Vorschläge die ostdeutschen Beitragszahler seien, weshalb er lieber alles beim Alten belasse, akzeptiert Lieberknecht nicht. „Da werden Debatten geführt, ohne dass man sich im Detail mit den Problemen beschäftigt hat“, sagte sie. „Erst wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, kann man entscheiden, ob und wie man ein politisches Problem löst. Ich vermisse die Modellrechnungen, in denen die Folgen einer Angleichung sauber ausgewertet werden.“ Lieberknecht kündigte an, das Thema erneut auf die Agenda zu setzen, wenn sie im Dezember den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz der ostdeutschen Länder übernimmt. „Das Ziel muss ein einheitliches Rentensystem sein, das die Lebensleistung der Ostdeutschen in der gebotenen Form anerkennt.“ Wie aus dem neuen Regierungsbericht zum Stand der Deutschen Einheit hervorgeht, entspricht der aktuelle Rentenwert im Osten lediglich 89 Prozent des West-Niveaus.