EU-Verkehrskommissar Siim Kallas stellt sich gegen immer schärfere Regulierungen, die Europas Luftverkehrsbranche belasten. Die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel sei eine schwere Belastung für europäische Airlines, heißt es in einer Mitteilung zur Zukunft der EU-Luftfahrt, die Kallas am Donnerstag vorlegen will. In der Bestandsaufnahme, deren Entwurf dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe) vorliegt, benennt die Kommission bemerkenswert deutlich nationale Steuern, hohe Flughafengebühren und den Emissionshandel als Hindernis für die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Fluggesellschaften.
„Konkurrenzfähigkeit hängt von einem fairen Wettbewerbsumfeld ab. In Europa stationierte Airlines haben aber internationale Wettbewerbsnachteile, weil ihre Kosten höher sind, als irgendwo sonst“, warnt Kallas. Auch Deutschland erhebt eine umstrittene Ticketabgabe. Alle Airlines, die von oder nach Europa fliegen, unterliegen seit Januar dem EU-Emissionshandelssystem. Zwar bekommen die Fluglinien vorerst noch 85 Prozent der Zertifikate umsonst; den Rest müssen sie aber zukaufen. Airlines, die das nicht tun, drohen Strafen. Mehr als ein Dutzend Staaten lehnen das Gesetz ab, allen voran die USA, China, Indien und Russland. „Mit der Formulierung, dass EU-Fluggesellschaften durch den Emissionshandel stärker belastet würden als Airlines aus Nicht-EU-Ländern, erkennt die EU-Kommission erstmals öffentlich an, dass Drittstaaten nicht in den Handel einbeziehbar sind“, kommentiert Holger Krahmer, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im EU-Parlament, das Kallas-Papier. Damit rücke der Verkehrskommissar deutlich von seiner Kollegin im Klimaressort ab. Connie Hedegaard setzt darauf, all jene Drittstaaten, die mit Gegenmaßnahmen drohen, vom Kurs der EU überzeugen zu können. Danach sieht es bislang aber nicht aus. So hatte der US-Senat unlängst eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die US-Airlines davor schützen soll, CO2-Verschmutzungsrechte kaufen zu müssen. Das US-Repräsentantenhaus hat bereits eine ähnliche Vorlage beschlossen. Beide Versionen müssen nun in Einklang gebracht werden, bevor sie als Gesetz endgültig verabschiedet werden. Dieses könnte das Verkehrsministerium schließlich anweisen, den US-Fluglinien die Teilnahme an einem einseitig von Europa eingeführten System zu untersagen. Doch die EU ist unnachgiebig. „Das Votum ändert an unserer Position nichts“, sagte der Sprecher von Klimakommissarin Hedegaard. Verkehrskommissar Kallas will der Branche nun etwas Luft verschaffen. In seinem Papier zur Entlastung des Sektors definiert die Kommission Grundsätze, die für ihre externe Luftverkehrspolitik gelten sollen. Sie betont darin die Bedeutung europäischer Netzwerk-Fluggesellschaften und europäischer Drehkreuze sowie den Abbau von Regulierung. Zur Stärkung der europäischen Netzwerk-Carrier schlägt Brüssel eine stärkere Rolle der EU beim Abschluss von Luftverkehrsabkommen, eine bessere Koordination der Luftverkehrspolitik der Mitgliedstaaten und besseren Schutz gegen wettbewerbswidriges Verhalten vor.