EU-Kommissar Algirdas Semeta hat eine europaweite Offensive gegen Steuerhinterziehung zur Linderung der Schuldenkrise angekündigt. Der frühere litauische Finanzminister sagte in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Focus“, die EU-Kommission sei „bereit, jedem EU-Land technische Hilfe zu leisten, das den Wunsch hat, seine Steuereintreibung zu optimieren. Das kann ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Schuldenkrise in Europa sein“.
Verschiedenen Studien zufolge mache die Schattenwirtschaft fast ein Fünftel der Wirtschaftsleistung in Europa aus. „Das bedeutet, dass den Mitgliedsländern jedes Jahr eine Billion Euro an Steuerzahlungen entgeht. Hier gibt es ein riesiges Potenzial für zusätzliche Staatseinnahmen. In diesen schwierigen Zeiten sollten wir es zu einer Priorität machen, es auch zu nutzen“, sagte der für Steuern zuständige Kommissar zu „Focus“. Er werde bis zum Jahresende einen Aktionsplan mit 25 Einzelmaßnahmen vorlegen, kündigte Semeta an: „Dazu gehört zum Beispiel ein besserer Datenabgleich zwischen den Finanzbehörden der Mitgliedsstaaten. Wir wollen es wohlhabenden Bürgern einzelner Staaten schwerer machen, sich ihrer einheimischen Steuerpflicht zu entziehen, indem sie in andere EU-Länder ausweichen. Wir arbeiten an einer einheitlichen europäischen Steuernummer. Davon verspreche ich mir einen großen Fortschritt beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und -betrug.“ Zur Praxis einiger Bundesländer, CDs mit Datensätzen Schweizer Banken aufzukaufen, um Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen, sagte Semeta „Focus“: „So etwas wäre nicht nötig, wenn die Kommission endlich das Mandat bekäme, für die ganze EU ein stärkeres Abkommen mit der Schweiz zur Vermeidung von Steuerflucht auszuhandeln. Fast alle Mitgliedsstaaten wollen das. Aber leider sperren Luxemburg und Österreich sich noch dagegen.“ Große Teile des Aufkommens aus der geplanten Finanztransaktionssteuer sollten dem Kommissar zufolge in den EU-Haushalt fließen. „Das sollten etwa zwei Drittel des Gesamtaufkommens aus den Mindeststeuersätzen sein“, präzisierte er. Die Kommission wolle dieses Geld aber nicht zusätzlich einstreichen: „Die individuellen Beitragszahlungen der einzelnen Länder sollen sich entsprechend verringern.“