Ist die Pflege noch zu retten?

Florence Nightingale, die zu Recht als Begründerin der modernen Krankenpflege gilt, hat die Pflege als „Kunst“ bezeichnet. Wenn Pflege zur Kunst werden soll, so Nightingale, müsse neben die fachlich handwerklichen Kenntnisse auch die Hingabe treten.
Heute mögen uns solche Ausführungen geradezu anachronistisch erscheinen. Dennoch: gerade angesichts der ernüchternden Realität im Pflegealltag kann eine Rückbesinnung auf zentrale Werte nicht schaden. Hierzu gehört auch die Rückbesinnung auf den Ethikkodex für Pflegende, der bereits 1953 vom International Council of Nursis verabschiedet wurde. Darin heißt es:
Untrennbar von Pflege ist die Achtung der Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Leben, auf Würde und auf respektvolle Behandlung. Sie wird ohne Rücksicht auf das Alter, Behinderung oder Krankheit, das Geschlecht, den Glauben, die Hautfarbe, die Kultur, die Nationalität, die politische Einstellung, die Rasse oder den sozialen Status ausgeübt.
Angesichts dieser Ausführungen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert getätigt wurden, mutet es schon grotesk an, wie heute in manchen Fachpublikationen Themen wie „interkulturelle Pflege“ bearbeitet werden. Im Grunde genommen wird hier alter Wein in neuen Schläuchen verkauft und durch Modebegriffe wie „interkulturelle Pflege“ aufgehübscht.
Mag sein, dass Bildungseinrichtungen, die Fortbildungen zur interkulturellen Pflege ( Wahlweise auch kultursensible Pflege, transkulturelle Pflege) vermarkten, damit ihren Umsatz steigern, aber im Regelfall handelt es sich dabei weder um neue Erkenntnisse, noch um Angebote, die mit der aktuellen Pflegerealität viel zu tun haben. Die Praktiker am Krankenbett haben andere Sorgen. Sie klagen über mangelnde Anerkennung und unzumutbare Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig reden Pflegewissenschaftler einer Akademisierung der Pflege das Wort. Realität und Anspruch klaffen so immer weiter auseinander; kein Wunder das sich die Pflege in einer regelrechten Identitätskrise wiederfindet. Aus dieser Krise wird uns aber nur die Rückbesinnung auf die eingangs genannten Werte führen, d.h.
-Pflegende müssen über solide fachliche Kenntnisse verfügen. Neben diese pflegefachlichen Kenntnisse müssen Sozialkompetenzen wie kommunikative Fähigkeiten und Einfühlungsvermögen treten. Mit Wissenschaft hat das zunächst wenig zu tun; ganz abgesehen davon haben wir keine wissenschaftlichen Erkenntnisdefizite, sondern vielmehr ein Umsetzungsdefizit. Wie ein Dekubitus zu vermeiden ist, wissen wir seit Jahrzehnten und nicht erst seit es den einschlägigen Expertenstandard gibt. Mit einiger Berechtigung stellt sich die Frage ob durch die Ausführungen der Experten auch nur ein einziger Dekubitus verhindert wurde. Die Wahrheit ist, dass eine qualifizierte Dekubitusprohylaxe allzu oft daran scheitert, dass in der Pflege fachlich mangelhaft qualifizierte Kräfte tätig sind und dass Fachkräfte ihr Wissen wegen Zeitdrucks nicht anwenden können.
-Die von Nightingale postulierte Hingabe ist bei der Berufswahl vieler Pflegender durchaus gegeben. Diese Kolleginnen und Kollegen sind hochmotiviert und bereit mit hohem Engagement zu pflegen. Diese überaus positive Einstellung kollidiert aber nicht selten mit einer Realität, die mit dem hohen Anspruch der Pflegenden nicht vereinbar ist. Manche resignieren, andere lösen sich von ihrem Anspruch und passen sich allzu schnell den widrigen Verhältnissen an. Nicht wenige geben nach kurzer Zeit den Pflegeberuf wieder auf oder suchen einen Ausweg, indem sie in patientenferne Bereiche fliehen. Diese Abwärtsspirale lässt sich nur durch eine grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen stoppen. Der Pflegekritiker Claus Fussek hat schon recht, wenn er sagt, dass dieses Konzept denkbar einfach sei: zufriedene Mitarbeiter/-innen, die sich mit ihrem Arbeitsplatz identifizieren und ein fairer, offener, ehrlicher, wertschätzender Umgangston mit allen Mitarbeiter/-innen. Dort wo diese Voraussetzungen erfüllt sind, so Fussek, zeigen die Kräfte Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit, Kreativität, fachliche und soziale Kompetenz und Veränderungsbereitschaft.
-Wer wie Nightingale die Pflege als „Kunst“ sieht, bringt der Pflege eine hohe Wertschätzung entgegen. Diese werden wir uns nur am Krankenbett erarbeiten können und zwar dadurch, dass wir unsere ureigenste Aufgabe, nämlich fachkompetent und emphatisch zu pflegen, erfüllen. Das Bestreben, der Pflege eine eigene Identität, ein eigenes Profil zu geben, wird so am ehesten erreicht. Profilneurotische Abgrenzungsbemühungen gegenüber den Ärzten helfen genauso wenig weiter wie die Flucht in akademische Sphären.
Um diese Ziele zu erreichen muss die Pflege ihre schon fast masochistische Duldsamkeit aufgeben und Rückgrat zeigen. Es gilt, Pflegeskandale und unzumutbare Arbeitsbedingungen beim Namen zu nennen. Die Funktionäre der konkurrierenden Berufsverbände müssen zu einer ernstzunehmenden Interessensvertretung zurück finden, oder aber wir müssen ihnen Vertrauen und finanzielle Mittel entziehen. Schließlich müssen wir uns gegen eine immer weitergehende Dequalifizierung der Pflege wehren, hierzu zählt auch das wir uns dagegen zur Wehr setzen müssen, dass zehntausende sogenannte Haushaltshilfen, meist ausländischer Herkunft und mit mangelhaften Sprach- und Fachkenntnissen Pflegeaufgaben verrichten.

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