Früherer WestLB-Chef kritisiert Merkels Euro-Krisenpolitik

Der frühere WestLB-Chef Ludwig Poullain hat scharfe Kritik an der bisherigen Euro-Krisenpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel geübt und den sofortigen Ausstieg Deutschlands aus der europäischen Gemeinschaftswährung gefordert. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) folgten gedankenlos dem Diktat der Märkte, ohne die Konsequenzen ihres Tuns zu berücksichtigen, schreibt Poullain in einem Gastbeitrag für das Magazin „Cicero“. „Die schiere Automatik ihrer Handlungen lässt mich argwöhnen, dass sie davon ausgehen, diese vermeintlichen Rettungstaten bis zum jüngsten Tag fortsetzen zu können“.

Dabei steht für ihn bereits jetzt fest: „Alle bisherigen Hilfsmaßnahmen waren nutzlos. Das geflossene Geld ist weg, die Eurorettung ein einziges Fiasko.“ Dem „Homunkulus namens Euro“ gibt der Ex-Banker in seiner jetzigen Form keine Überlebenschance. Das Problem sei, dass nicht nur Griechenland und Portugal an ihrer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit krankten, sondern auch Italien und Spanien und „ganz offensichtlich auch Europas sogenannter Industriestaat Nummer zwei, Frankreich“. Poullain fordert daher, Deutschland dürfe nicht länger auf den Austritt Griechenlands und anderer Staaten warten: „Wir sollten uns selbst aus dem Gewürge lösen, eine neue Währung kreieren.“ Als potenzielle Partner dafür schlägt Poullain die skandinavischen Länder, Österreich, die Niederlande und die Schweiz vor, notfalls auch Frankreich, „aber nur dann, wenn sich die Franzosen den stringenten Regeln der neuen Gemeinschaft unterwerfen“. Er widerspricht der gängigen These, kein Land habe mehr vom Euro profitiert als Deutschland. „Das Gegenteil ist richtig. Die Grundlage der Leistungsfähigkeit unser Industrie ist während der Deutschen Mark gelegt worden“, so Poullain. Auch damals habe es viele Mahner gegeben, die bei jeder Aufwertung der D-Mark gegenüber dem US-Dollar den Weltuntergang prognostiziert hätten. „Doch stets verzeichnete das Statistische Bundesamt weitere kräftige Zunahmen der Exportaufträge“, schreibt Poullain. Jede Aufwertung habe die deutsche Industrie gezwungen, „ihre Produkte zu verbessern und die Produktivität zu erhöhen“. Der 92-jährige Poullain hat als ehemaliger Chef der WestLB und Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands das deutsche Bankwesen geprägt. Er war während seiner Zeit bei der WestLB selbst in einen Skandal um einen Beratervertrag verstrickt. Nach seinem Abschied aus der Welt der Banker hat er sich zu einem ihrer schärfsten Kritiker entwickelt. Berühmt geworden ist seine „Ungehaltene Rede“ über den Sittenverfall im deutschen Bankwesen, geschrieben 2004 für die Verabschiedung des NordLB-Chefs Manfred Bodin. Der Vortrag wurde aufgrund seines kritischen Inhalts kurzfristig abgesagt, erschien dann aber wenig später in voller Länge in der FAZ.