Anleger sollen weitere Raten zahlen – Interview mit Rechtsanwalt Christian-H. Röhlke
Die ALAG GmbH & Co. KG Köln, verklagt ihre atypisch stillen Gesellschafter auf Weiterzahlung monatlicher Raten und Rückzahlung bereits getätigter Entnahmen, berichtet Rechtanwalt Christian-H. Röhlke von Röhlke Rechtsanwälte aus Berlin. Was können Anleger tun?
Herr Rechtsanwalt Röhlke, aktuell scheint die ALAG GmbH & Co. KG genügend Liquidität zu haben, um Gerichtskostenvorschüsse bezahlen zu können und ihre Gesellschafter zu verklagen. Viele Anleger fragen sich: Was soll ich jetzt tun?
Rechtsanwalt Röhlke: „Für die Anleger empfiehlt sich jetzt schnellstmöglich ein Gang zum spezialisierten Anwalt. Es sollte ein Anwalt sein, der sich bereits mit den ALAG-Verfahren auskennt. Eile ist geboten, weil viele Gerichte ein sogenanntes schriftliches Vorverfahren anordnen und bei diesem Verfahren innerhalb von 14 Tagen seit Klagezustellung die Verteidigungsbereitschaft durch einen Anwalt beim Landgericht angezeigt werden muss.“
Und was passiert dann? Haben die Anleger überhaupt eine Chance?
Rechtsanwalt Röhlke: „Die Chancen für ein Vorgehen gegen die ALAG und eine erfolgreiche Rechtsverteidigung sind schwer einzuschätzen. Es wird wohl davon abhängen, bei welchem Gericht die Klage läuft. Zum Beispiel sind Anlegerklagen gegen die ALAG vor den Landgerichten Köln und Koblenz in letzter Zeit nicht gut gelaufen. Vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg scheint sich zudem im Moment eine Tendenz zu Gunsten der ALAG breit gemacht zu haben, wobei aber nach ganz aktuellen Hinweisbeschlüssen des Landgericht Hamburg hier wohl die Messen noch nicht vollständig gelesen sind.“
Muss denn der Anleger damit rechnen, vor diesen „anlegerfeindlichen“ Landgerichten in Anspruch genommen zu werden?
Rechtsanwalt Röhlke: „Nein. Das Schöne an den Klagen der ALAG ist, dass der Anleger dort verklagt werden muss, wo er wohnt. Dies können etwas verbraucherfreundlichere Gerichte seien, wie z. B. das Landgericht Berlin oder das Landgericht Stuttgart.“
Was wird in Köln oder Hamburg anders gemacht als in Berlin oder in Stuttgart?
Rechtsanwalt Röhlke: „Einige Kammern des Landgerichts Hamburg gehen ohne weiteres von einer Verjährung der Ansprüche der Anleger aus. Die Argumentation ist ungefähr so, dass der Anleger prinzipiell auf Risiken durch den Zeichnungsschein hingewiesen wurde und auch darauf, dass es eine Risikobelehrung im Prospekt gab. Wenn er dann den Prospekt gelesen hat, ist er an seinem Unglück selber Schuld und bereits mit Übergabe des Immissionsprospektes Kenntnis von den Risiken der ALAG-Beteiligung gehabt. Damit wäre nach dieser Ansicht eine Verjährung anzunehmen.“
Und ist diese Ansicht richtig?
Rechtsanwalt Röhlke: „Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gesteht dem Anleger in jedem Falle zu, den Prospekt gerade nicht lesen zu müssen. Außerdem ist die Verjährung für jeden einzelnen Beratungsfehler gesondert zu überprüfen. Auch diesem Maßstab wird meiner Meinung nach die Ansicht des Landgerichts Hamburg nicht so ganz gerecht. Wir setzen hier ihre Hoffnung auf die anderen deutschen Landgerichte, dass durch diese die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besser übernommen wird.“
Liegt es nur an der Verjährung?
Rechtsanwalt Röhlke: „Nicht nur. Die Beratung der Anleger erfolgt neben einem Prospekt meistens durch die eingesetzten Kapitalanlegevermittler. Wir beobachten verstärkt, dass gerade die Vermittler der ALAG keine ordnungsgemäße Risikoaufklärung geleistet haben und den Emissionsprospekt entweder gar nicht oder sehr spät übergeben haben. Die Beratungsfehler der Vermittler werden auch von den allermeisten deutschen Landgerichten der ALAG GmbH & Co. KG – so wie allen anderen Emittenten auch – zugerechnet, wie eigene Fehler. Das Landgericht Hamburg tut sich hierbei allerdings etwas schwer. Das Landgericht und Oberlandesgericht Köln hat seine Meinung in dieser Hinsicht vor kurzem geändert und rechnet das Handeln der Vermittler auch zu. Allerdings erst, nachdem der Bundesgerichtshof im Mai 2012 in einem ähnlichen Fall eine Zurechnung explizit bejaht hat.“
Was bringt diese Zurechnung für den Anleger?
Rechtsanwalt Röhlke: „Unsere Kanzlei Röhlke Rechtsanwälte hat erst vor kurzem einen Berater zu Schadensersatz vor dem Landgericht Berlin verurteilen lassen, der eine ALAG-Anlegerin in nicht über diese hohe Weichkostenbelastung der Beteiligung informiert hat. Wenn aber schon diese Falschinformationen eine Schadensersatzpflicht des Beraters auslösen, ist die Falschberatung auch der ALAG zurechenbar und der Anleger kann seine Schadensersatzansprüche dem Zahlungsverlangen der ALAG entgegenhalten. Außerdem sind in Berlin bereits einige ALAG-Vermittler als Zeugen in den Prozessen vernommen worden. Sie haben bestätigt, dass die ALAG-Beteiligungen als besonders sichere Kapitalanlagen verkauft wurden.
Und das waren sie ja nicht?
Rechtsanwalt Röhlke: „Nein, das waren sie ganz sicher nicht. Nach bisherigem Stand der Dinge müssen die Anleger nicht neben einem Totalverlust ihrer bisher eingezahlten Einlagen rechnen. Sie müssen vielmehr nach dem Willen der ALAG jetzt auch noch damit rechnen, weitere Zahlungen leisten zu müssen. Wir werden uns mit aller Entschiedenheit für die von uns vertretenen Mandanten gegen diese Zahlungsansprüche zur Wehr setzen und die Schadensersatzansprüche gegenüber der ALAG und der übrigen möglichen Schadensersatzpflichtigen weiterverfolgen.“
Herr Röhlke, danke für dieses Gespräch.
V.i.S.d.P.:
Oliver Mikus
Redakteur
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