Der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, hat die geplanten Staatsanleihenkäufe der EZB scharf kritisiert. „Damit subventioniert die EZB die nationalen Haushalte einiger Staaten, und es findet eine Umverteilung statt“, sagte Stark der „Welt am Sonntag“ (26. August 2012) zu den Maßnahmen, durch die die Zinsen für Staatsanleihen von Krisenländern wie Italien oder Spanien künstlich gedrückt werden sollen. Noch weiter, so Stark, ginge diese Umverteilung, wenn die Krisenländer die aufgekauften Anleihen nicht mehr bedienen könnten – und das Euro-System der Notenbanken die Verluste tragen müsste.
EZB-Präsident Mario Draghi hatte Interventionen der Zentralbank angekündigt, um vermeintlich überzogene Marktzinsen in einigen Euro-Staaten zu bekämpfen. In Notenbankkreisen werden verschiedene Varianten diskutiert, wie die Zinsen oder die Risikoaufschläge für einzelne Länder gedeckelt werden könnten. Stark hält die gesamte Diskussion über Zinslimits für einen Irrweg: „Ganz gleich, wie eine Zinsobergrenze ausgestaltet ist: Es geht nicht mehr um Geldpolitik, sondern um Fiskalpolitik.“ Außerdem entferne man sich so noch weiter von einer einheitlichen Geldpolitik für das ganze Euro-Gebiet, „für die die EZB verantwortlich ist und die ja das Kennzeichen einer Währungsunion ist“. In den Augen der Kritiker ist daher das, was die Finanzmärkte seit Wochen als den großen Wurf feiern, allenfalls eine Krücke, auf die sich die Krisenländer vorübergehend stützen können. „Es mag sein, dass sich durch die Interventionen am Anleihenmarkt kurzfristig die Situation beruhigen lässt“, sagte Stark. „Aber der Boden in diesem Fass ist nur provisorisch. Kein einziges Problem der Krisenstaaten wird so gelöst.“ Niemand könne den Krisenländern die Bewältigung ihrer hausgemachten Probleme abnehmen. „Sie müssen durch diesen schmerzhaften Korrekturprozess hindurch“, forderte Stark.