In der Unionsfraktion des Bundestags wächst der Unmut über die gewaltigen Ungleichgewichte in der Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB), die zu einer erheblichen Belastung Deutschlands führen können. Allein die Bundesbank hat über das EZB-interne Verrechnungssystem Target 2 mittlerweile Forderungen von fast 730 Milliarden Euro gegenüber den übrigen Notenbanken der Euro-Zone aufgehäuft. Bei einem Zerbrechen der Währungsunion wäre wohl der größte Teil davon verloren.
„Die Target-2-Entwicklung bietet Anlass zu großer Sorge, weil damit eine wachsende Haftung für Deutschland außerhalb jeglicher parlamentarischer Zustimmung entsteht“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Johannes Singhammer (CSU) der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). Er verwies zudem darauf, dass von den großen Euro-Ländern inzwischen nur noch Deutschland auf der Seite der Target-Gläubiger stehe, während Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien zu den Schuldnern zählten. Damit sei die Bundesrepublik „in eine gefährliche singuläre Position“ geraten. Die Target-Salden der Notenbanken haben sich seit Ausbruch der Weltfinanzkrise im Jahr 2007 stark auseinander entwickelt. Grund ist, dass ein Land wie Deutschland in großem Stil Waren in die Euro-Zone exportiert, Bürger aus den Krisenländern zugleich ihr Geld in der Bundesrepublik anlegen und sich zudem die Geschäftsbanken untereinander kaum noch Geld leihen. Derzeit weisen nach Informationen der SZ neben Deutschland nur noch die Niederlande (155 Milliarden Euro), Luxemburg (115 Milliarden Euro), Finnland (73 Milliarden Euro) und Estland (0,7 Milliarden Euro) positive Target-Salden auf. Die übrigen zwölf Euro-Mitgliedsländer haben Verbindlichkeiten, angeführt werden sie von Spanien (408 Milliarden Euro) und Italien (274 Milliarden Euro). Für sich genommen stellen die Salden kein Risiko dar, da es sich – anders als vom Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, behauptet – nicht um Kredite handelt. Vielmehr dient das Target-System dazu, bereits zur Verfügung stehende Liquidität innerhalb der Währungsunion zu verteilen. Darauf weist auch der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter, in einem Schreiben an den CSU-Abgeordneten Paul Lehrieder hin, das der SZ vorliegt. Was nicht in der Antwort steht: Sollte die Euro-Zone auseinanderbrechen, wäre es tatsächlich äußerst fraglich, ob die nationalen Notenbanken willens und in der Lage wären, ihre Defizite zu begleichen. Auch beim Austritt eines einzelnen Landes könnte viel Geld verloren gehen, im Falle Griechenlands etwa wären es bis zu 100 Milliarden Euro. Allein die Bundesbankbilanz würde dadurch mit 27 Milliarden Euro belastet. Ein Limit für die Target-Salden der beteiligten Notenbanken gibt es nicht. „Im bestehenden Rechtsrahmen würden Obergrenzen zu einer Beschränkung des Zahlungsverkehrs führen“, heißt es in einem Brief des Finanzstaatssekretärs Hartmut Koschyk an Unionsfraktionsvize Singhammer, der der SZ ebenfalls vorliegt. Darin heißt es weiter: „Im Eurosystem lassen sich Risiken sinnvoller dadurch verringern, dass die übermäßige Inanspruchnahme der Notenbank-Refinanzierung durch einzelne Kreditinstitute zurückgeführt wird.“ Damit sich die Banken ihr Geld wieder untereinander borgten, statt es sich bei der nationalen Notenbank zu leihen, müsse es gelingen, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen.