Die AOK und der Spitzenverband der Krankenkassen werben für neue Wege bei der Kostensteuerung im Gesundheitswesen und haben ein Konzept gegen überflüssige Operationen vorgeschlagen. Angesichts des starken Anstiegs von Krankenhausoperationen forderte der neue Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann, für planbare Leistungen wie Hüft-Operationen einen Zertifikatehandel nach dem Modell des Emissionshandels. „Wir sollten das zumindest ernsthaft prüfen“, sagte Wältermann dem „Handelsblatt“ (Montagausgabe).
Der Emissionsrechtehandel zielt darauf ab, den Ausstoß schädlicher Treibhausgase zu reduzieren. Firmen erhalten eine begrenzte Anzahl von Zertifikaten, die je zum Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid berechtigen. Kommen die Industriebetriebe oder Kraftwerksbetreiber damit nicht aus, müssen sie Zertifikate von anderen Anbietern zukaufen. Ähnlich könnte es auch bei den Kliniken laufen, sagte Matthias Mohrmann, der wie Wältermann Anfang Juli neu in den Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg berufen wurde, der Zeitung. Heute vereinbaren die Krankenhäuser mit den Kassen Budgets. Überschreitet eine Klinik die vereinbarten Mengen, wird jede weitere Leistung über Mehrleistungsabschläge geringer vergütet. Die Idee ist nun, auf diese ohnehin bis 2014 befristeten Abschläge zu verzichten und stattdessen die Klinik zu verpflichten, für ihre Mehrleistungen Zertifikate von anderen Kliniken zu kaufen, die ihre Leistungsmenge nicht ausschöpfen. Mohrmann ist zuversichtlich, dass Kliniken so davon abgehalten werden, Patienten zu nicht zwingend notwendigen Hüft- oder Knieoperationen zu überreden, um Kasse zu machen. „Die Kosten für die Zertifikate würden die Rendite einer solchen OP senken.“ Der Zertifikatehandel soll zunächst bei Hüft- und Knie-Operationen erprobt werden, wo der Zuwachs seit 2003 mit 51 Prozent (Knie) beziehungsweise 18 Prozent (Hüfte) besonders groß war. Unterstützung für den Vorschlag kam vom Dachverband aller 145 Kassen. „Wir prüfen derzeit die Idee, einen Handel mit Zertifikaten für Mehrleistungen bei planbaren Leistungen einzuführen“, sagte Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Vorstandschef des GKV-Spitzenverbandes, der Zeitung.