Vertretern der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland macht die Debatte über eine höhere Besteuerung von Vermögen große Sorgen. Eine solche Belastung, wie sie etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorschlägt, „würde mit Sicherheit gerade die Eigentümer der stärksten Betriebe massenhaft ins Ausland treiben, zumal sie bestens vernetzt sind und damit international über genügend Anlaufstellen verfügen“, sagte Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, der „Welt am Sonntag“. Ulrich Dietz zum Beispiel, der als Großaktionär und Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter IT-Dienstleisters GFT Technologies gut 1.300 Mitarbeiter beschäftigt, würde dem Standort Deutschland notfalls den Rücken kehren: „Wir leben erfreulicherweise heute in einer Welt, in der es möglich ist, in vielen Ländern zu leben, Produkte zu produzieren und Produkte zu verkaufen.“
Mit Ausweichreaktionen rechnet auch Hans Heiner Honold vom Logistikunternehmen Honold Gruppe (200 Millionen Euro Umsatz, 1.200 Mitarbeiter): „Heerscharen von Beratern werden sich damit befassen, ob es nicht da oder dort Wege geben könnte, durch Wohnsitz- und Betriebsverlagerungen doch noch zu retten, was zu retten ist“, glaubt Honold. Auch das unternehmerische Engagement könnte leiden: „Man wird sich bei einer höheren Besteuerung von Vermögen die Frage stellen müssen, ob die persönliche Lebenseinstellung, konstant Höchstleistung zu erbringen, noch adäquat ist“, sagte Peter Kulitz von Esta Apparatebau (150 Mitarbeiter in Deutschland) Das DIW hat in dieser Woche vorgeschlagen, Bürger mit einem Vermögen ab 250.000 für die Sanierung der öffentlichen Finanzen in Deutschland und anderen Ländern Europas zur Kasse zu bitten. Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei begrüßten den Vorstoß ebenso wie Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland wäre eine höhere Vermögensbesteuerung eine große Gefahr, lautet jedoch das einhellige Urteil der von der „Welt am Sonntag“ befragten Unternehmer. „Der Vorschlag ist brandgefährlich, weil er zur Zerschlagung gerade jener Wirtschaftsstrukturen führen würde, die Deutschlands Stärke ausmachen“, sagte Eric Schweitzer vom Recyclingunternehmen Alba (3,2 Milliarden Euro Umsatz, 9.000 Mitarbeiter). Viele Unternehmer argumentieren, sie würden jetzt schon sehr hoch belastet. „Die Deutschen müssen im Schnitt bis Anfang Juli für den Staat schuften, bis ihr Geld wirklich etwas für sie einbringt – bei mir dauert das mindestens bis September“, sagte Stephanie Gräfin Bruges-von Pfuel vom Veranstaltungs-Unternehmen Schloss Tüssling Events (zehn Mitarbeiter). Daniel Terberger vom Modedienstleister Katag (910 Millionen Euro Umsatz, 350 Mitarbeiter) sagte: „Einen Solidarbeitrag über die schon hohen Steuern hinaus kann ich mir nur dann vorstellen, wenn der Staat substanziell Ausgaben gekürzt hat und die soziale Balance in Gefahr ist.“ Und Clemens Keller vom Kaffee- und Nüsse-Verarbeiter Seeberger (150 Millionen Euro Umsatz, 400 Mitarbeiter) erklärte: „Als Familienunternehmen planen und investieren wir weit in die Zukunft. Dafür dringend notwendiges Eigenkapital darf nicht stärker besteuert und damit entzogen werden.“ Wenig Verständnis haben die Unternehmer auch für das Ansinnen, mit höheren Vermögenssteuern Hilfe für die Krisenländer der Euro-Zone zu finanzieren. So sagte Wolfgang Grupp vom Textilhersteller Trigema (87 Millionen Euro Umsatz, 1.200 Mitarbeiter): „Mein Heimatland werde ich immer unterstützen, wenn es unverschuldet in eine Krise gerät. Ich erwarte aber, dass im vereinten Europa alle Entscheidungsträger in die Haftung genommen werden.“