Ökonomen sehen der geplanten Ausweitung der Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB), die unter anderem die Aufsicht über Geldhäuser übernehmen soll, skeptisch entgegen. „Die EZB ist nicht der richtige Ort, um eine europäische Bankenaufsicht anzusiedeln“, sagte Hans Reckers, Hauptgeschäftsführer des Verbands öffentlicher Banken (VÖB) und ehemaliger Bundesbank-Vorstand, der Tageszeitung „Die Welt“ (Montagausgabe). Es bestehe die Gefahr, dass die Orientierung der Notenbank an der Geldwertstabilität in den Hintergrund gerate.
Zwar beaufsichtigen auch die Zentralbanken anderer Länder Geschäftsbanken, etwa in Großbritannien. Eine optimale Lösung sei das aber nie, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. „Es gibt mehr Argumente gegen eine Bankenaufsicht durch die Zentralbank als dafür.“ Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich bei ihrem Gipfeltreffen am vergangenen Donnerstag und Freitag auf eine zentrale Bankenaufsicht verständigt. Es gilt als ausgemacht, dass diese bei der EZB angesiedelt werden soll. „Die Zentralbank sollte sich darauf konzentrieren, für Geldwertstabilität zu sorgen. Wenn man ihr zusätzliche Aufgaben aufbürdet, kann es zu Zielkonflikten kommen“, warnt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Als Bankenaufseherin müsste die EZB über die Solidität von Banken wachen, hätte aber gleichzeitig die Instrumente in der Hand, um unsolide Institute selbst am Leben zu erhalten, indem sie zum Beispiel billige Liquidität verteilt. „Die Funktion als Notenbank und als Bankenkontrolleur passen nicht zusammen“, lautet Krämers Schluss. Aus seiner Sicht wäre eine europäische Bankenaufsicht besser bei einer unabhängigen Behörde aufgehoben. Hinter vorgehaltener Hand äußern Notenbanker die größte Sorge, die sie mit der neuen Aufgabe verbinden: Sie könnten künftig noch stärker in die Rolle der „Krisenfeuerwehr“ gedrängt werden. „Aufsichtsaufgaben kann eine Notenbank nicht unabhängig ausüben, sie rückt damit viel zu nahe an die Fiskalpolitik heran“, warnt auch Ex-Bundesbanker Reckers. Denn wenn die EZB künftig als Aufsicht einen Kapitalbedarf bei einer Bank feststellt – werden dann nicht sofort Rufe laut, sie solle ihn auch selbst decken? „Die Notenbank muss deutlich machen, dass Bankenrettung nur mit Staatsgeld zu machen ist“, mahnt Ökonom Kater. „Die EZB kontrolliert, der Rettungsfonds ESM kapitalisiert, dabei muss es bleiben.“ Allerdings kam in den vergangenen Monaten immer wieder die Forderung auf, dass der ESM die Möglichkeit erhalten sollte, sich selbst Mittel bei der Zentralbank zu beschaffen. Die EZB soll künftig als Dienstleister für den ESM fungieren. Dabei geht es um eine rein technische Rolle – kritische Notenbanker befürchten allerdings, dass diese Rolle fließend in die eines Finanzierers des ESM übergehen könnte. „Dann wären wir im ordnungspolitischen Niemandsland angekommen – und wir bewegen uns in der Tat in diese Richtung“, sagt Deka-Ökonom Kater. Commerzbank-Volkswirt Krämer fordert von der Politik seinerseits mehr Zurückhaltung gegenüber der EZB. „Die EZB hat in der Krise einiges an Reputation eingebüßt – besonders durch den faktischen Einstieg in die Staatsfinanzierung im Mai 2010“, sagte er der Zeitung. „Die Politik sollte die Zentralbank davor schützen, ihre Reputation weiter zu gefährden.“