Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki hat die umstrittene Entscheidung des Papstes verteidigt, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer bei einem Rom-Besuch die Kommunion zu erteilen. Benedikt XVI. habe „so gehandelt, wie es wohl jeder Seelsorger tut, der keinen zurückweisen will“, sagte Woelki im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Seehofer ist in zweiter Ehe verheiratet und Wiederverheirateten ist nach katholischem Kirchenrecht üblicherweise der Zugang zu den Sakramenten verwehrt.
„Wer bin ich, dass ich die `katholischen` Lebensumstände von Horst Seehofer bewerte?“, so Woelki, der seit 2011 Erzbischof von Berlin ist. „Heute leiden wir kirchlicherseits vielleicht manchmal an einem falschen Perfektionismus“, erklärte der Kardinal. „Es muss doch auch möglich sein, katholisch zu sein, ohne dass das bis ins Letzte immer überprüft wird.“ Unabhängig vom Fall Seehofer würdigte Woelki, dass Wiederverheiratete „in ihrer zweiten Beziehung bisweilen verwirklichen können, woran sie in ihrer Ehe gescheitert sind.“ Mit ihren Kindern bildeten sie eine Familie und versuchten den Glauben zu leben, soweit die Umstände es erlaubten. „Sie sind in unseren Gemeinden engagiert und tun dort Gutes“, so der Kardinal. Seehofer hatte Medienberichten zufolge mit einer Delegation aus Bayern zum 85. Geburtstag von Benedikt XVI. an einer Heiligen Messe im Vatikan teilgenommen und dort vom Papst die Kommunion erhalten.