Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige

Bei einer Selbstanzeige sind künftig sämtliche Konten offen zu legen

Essen, 16. Juni 2011*****Die Zahl der strafbefreienden Selbstanzeigen zwischen Februar und Ende Juli 2010 – es waren 22.415 – , sowie die Neuauslegung wesentlicher sogenannter Tatbestandsmerkmale durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.05.2010 haben den Gesetzgeber veranlasst, die Rahmenbedingungen für strafbefreiende Selbstanzeigen zu überdenken und – zu handeln. Dies geschah durch den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz), das am 17.03.2011 den Bundestag passiert hat. Für Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz, Steuerberaterin und Partnerin in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner in Essen, werden die Spielräume für die Erstattung strafbefreiender Selbstanzeigen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz weiter verengt, womit die einschlägigen Risiken für die Steuerpflichtigen deutlich steigen. „Der Gesetzgeber hat die Chance verspielt, das Recht der Selbstanzeige auf ein solides und systematisch durchdachtes Fundament zu stellen“, so Steuerberaterin Bettina M. Rau-Franz.

Neben Änderungen bei der Geldwäschestrafbarkeit sieht das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ein erweitertes Vollständigkeitsgebot, die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung als neuen Sperrgrund sowie die Einführung einer „freiwilligen“ Zahlung von 5 Prozent der verkürzten Steuer vor, um bei Verkürzungsbeträgen von mehr als 50.000 EUR Straffreiheit zu erlangen. Die Neuregelung tritt zum April 2011 in Kraft.

„Das bedeutet eine erhebliche Verschärfung der steuerlichen Selbstanzeige. Künftig müssen Steuerhinterzieher bei einer Selbstanzeige sämtliche Konten offenlegen, auf denen sie Schwarzgeld „gebunkert“ haben. Sollten später weitere Verstecke entdeckt werden, erlischt die Straffreiheit. Das war bisher anders: Eine Selbstanzeige bezog sich nur auf ein bestimmtes Konto. Fürchtete ein Steuersünder, dass er in der Schweiz auffliegt, konnte er beim Fiskus berichtigen, ohne etwa ein weiteres Konto in Liechtenstein nennen zu müssen“, erklärt Bettina M. Rau-Franz.

„Künftig muss eine Selbstanzeige umfassend alle Hinterziehungssachverhalte, die strafrechtlich noch nicht verjährt sind, enthalten, damit die Rechtsfolge Straffreiheit auch eintritt“, stellt das neue Gesetz klar. Die zweite Verschärfung betrifft den Zeitpunkt, an dem sich ein Steuerhinterzieher beim Finanzamt meldet. Bisher galt: „Erst wenn ein Betriebsprüfer bei einem Unternehmen oder bei einem der Betriebsprüfung unterliegenden Einkommensmillionär vor der Tür steht, ist es zu spät für eine Selbstanzeige“. In der Regel hatten die Betroffenen dadurch lange Bedenkzeit, da sich Betriebsprüfer vorher schriftlich ankündigen. Künftig ist eine Selbstanzeige schon nicht mehr möglich, sobald in dem Unternehmen oder bei dem Einkommensmillionär der Brief des Finanzamtes über die Anordnung einer Betriebsprüfung eingegangen ist.

„Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz möchte der Gesetzgeber offensichtlich einen Schlusspunkt unter das für die strafbefreiende Selbstanzeige turbulente Jahr 2010 setzen. Sein primäres Ziel, die bewusste Teil-Selbstanzeige unter Abwägung des potentiellen Entdeckungsrisikos auszuschließen, wird mit dem gegenüber der Bundesgerichtshof-Rechtsprechung nochmals erweiterten Vollständigkeitsgebot erreicht. Das Gesetz wurde jedoch mit heißer Nadel gestrickt und bis zuletzt in den politischen Gremien kontrovers diskutiert. Die nunmehr gefundene Regelung ist weit davon entfernt, der Beratungspraxis und dem Steuerpflichtigen verlässliche Maßstäbe an die Hand zu geben“, meint Steuerberaterin Bettina M. Rau-Franz.

Entscheidend ist, dass zukünftig die Sperrwirkung bereits mit Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung eintritt und für Steuerhinterziehungen mit einem Verkürzungsvolumen von mehr als 50.000 EUR je Tat ein systematisch verfehlter „freiwilliger“ Zuschlag von 5 Prozent des Verkürzungsbetrages eingeführt wurde. Dagegen ist die in Art. 97 § Abs. 24 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung angesiedelte Vertrauensschutzregelung für strafbefreiende Selbstanzeigen positiv hervorzuheben, die bis zum Datum des Änderungsgesetzes bei der zuständigen Finanzbehörde eingereicht wurden (Art. 3). Für diese Selbstanzeigen soll es bei der Rechtslage vor Ergehen des BGH-Beschlusses vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 bleiben, wonach auch – bewusste oder unbewusste – Teilselbstanzeigen im Umfang der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen zur Straffreiheit führen. Im Ergebnis handelt es sich um eine partielle – nicht sämtliche Aspekte der Entscheidung abdeckende – Nichtanwendungsregelung für die aktuelle BGH-Rechtsprechung. Die ursprüngliche Gesetzesbegründung verweist auf das Vertrauen in die Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Sanktionierung, insbesondere das Inaussichtstellen von Straffreiheit, das nach dem Prinzip der Rechtssicherheit und der Verfahrensfairness schützenswert sei. Strafbefreiende Selbstanzeigen nach dem Datum des Änderungsgesetzes gelten als „erstmalige Selbstanzeigen“, die nur bei Erfüllung des neuen Vollständigkeitsgebots zur Straffreiheit führen.

Steuerberaterin Bettina M. Rau-Franz weist darauf hin, dass von den Straf- und Bußgeldsachenstellen zwischenzeitlich eröffnete Ermittlungsverfahren, deren Ausgangspunkt eine Teil-Selbstanzeige des Jahres 2010 – unter Berücksichtigung vorheriger Selbstanzeigen in strafrechtlich nicht verjährter Zeit – war, nach Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes eingestellt werden müssen.
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