Er ist Deutschlands bekanntester Obdachloser. Der ehemalige Wahl-Hamburger Max Bryan, der inzwischen auf einem Rosenhof nahe Frankfurt lebt, kehrt für einen Arbeitsurlaub zurück in die Hansestadt, wo er zwei Jahre lang auf der Straße lebte. Laut Informationen der
Giessener Zeitung will der ehemals Wohnungssuchende dort nun seine Sachen abholen und die Einlagerung auflösen.
(TNN) Schon Anfang Juni war Bryan in Hamburg angekommen und traf sich mit einstigen Weggefährten, Unterstützern und Bekannten, darunter auch der Hauptpastor vom Hamburger Michel, der Hauptkirche von St. Michaelis. Der Pastor half ihm seinerzeit mit Tipps und Örtlichkeiten zum Aufwärmen, sogar ein Kulturprojekt war im Gespräch, dann aber kam der Herbst und Bryan wollte nicht länger warten, fuhr mit dem Fahrrad Richtung Süden in der Hoffnung entlang seiner Wegstrecke doch noch eine Wohnung zu finden (TNN berichtete).
– Einladung vom Hauptpastor –
Zurück in der Stadt an der Elbe und nach langer Reise, holte Bryan dann etwas nach, dass während seiner Obdachlosigkeit nie zustande kam und es ist kein unbedeutender Vorgang, wenn ein Hauptpastor der bedeutendsten Kirche Norddeutschlands einen ehemaligen Obdachlosen empfängt und ihn mit auf den Turm des Hamburger Michel´s nimmt, schon lange hatte Bryan sich das gewünscht.
„Haupteingang Englische Planke“, hieß es dann und Bryan traf nicht nur Hauptpastor Alexander Röder, sondern auch den Trompeter, der jeden Tag ein Lied von der 7. Ebene des 132 Meter hohen Kirchturms spielt. „Es war mir eine Riesenfreude, den Trompeter vom Michel zu begleiten, während er sein traditionsreiches Lied spielt“, schreibt Max Bryan in seinem Tagebuch-Blog bei Facebook.
Gepostet von Max Bryan am Sonntag, 3. Juni 2012
– Der Trompeter vom Michel –
Punkt 12 und die Musik beginnt. „Freut Euch Ihr Christen alle“, ist heute das Thema, jeden Tag ein anderes Lied, für Bryan war das immer auch Hoffnung und Kraftspender.
„Die Welt dreht sich weiter und heute wirst Du nicht untergehen“, sprach der ehemalige Obdachlose sich Mut zu und motivierte damit auch andere.
Zwei Jahre lang lebte Max Bryan auf Hamburgs Straßen, bevor er im November letzten Jahres die Stadt mit dem Fahrrad verlies, in der Hoffnung entlang seiner Radstrecke eine Wohnung zu finden, was ihm am Ende auch gelang. Auf einem Rosenhof nahe seiner alten Heimatstadt Bad Nauheim (40 Kilometer nördlich von Frankfurt/M.) wurde der fündig und blieb. Hunderte Fans hatten bis dahin die Geschehnisse im Internet live mit verfolgt und ihre Glückwünsche zum Ausdruck gebracht.
„Ich habe seinen Stationen immer mit verfolgt und ich finde es großartig, dass er nun angekommen ist und eine Wohnung gefunden hat. Er wirkt heute viel fröhlicher als damals und ich freue mich zu sehen, wie eine Last von ihm gefallen ist“, erklärt der Hamburger Hauptpastor Alexander Röder im Gespräch mit Anwesenden vor Ort.
Darunter auch der renommierte Spiegel-Autor Matthias Matussek, der Bryan schon seit Monaten treffen will, bislang aber hatten die beiden sich immer wieder verfehlt. Entweder war Bryan mit dem Fahrrad unterwegs oder Matussek saß im Flieger zu einem seiner vielen Termine, heißt es im offiziellen Bericht.
http://www.maxbryan.com
– Spiegel Autor Matussek –
„Zeigen Sie mir alles“, bat Matussek den ehemaligen Obdachlosen und Bryan zeigte ihm alles. Seine Schlafplätze, die Gänge, die Kumpels, die Wege. Täglich hatte Bryan diese Strecken zurückgelegt, immer auf der Suche nach einer Unterkunft und einer Bleibe, wo man sich tagsüber aufhalten, essen und waschen kann.
Die Trinkwassersäule am Hafentor zum Beispiel, jeden Abend war es die letzte Station auf Bryan´s Tour durch die Stadt, ein Stück Normalität, die er sich bewahren wollte: „Jeden Abend hatte ich mir dort die Zähne geputzt (…) auf der Straße geht das Privatsein verloren“, heißt es in einer Rückschau.
Gepostet von Max Bryan am Freitag, 25. Mai 2012
– Videotagebuch –
Max Bryan wirkt glücklich und gelöst, die aktuellen Bilder von den Landungsbrücken sprechen Bände. Wohl auch ein Grund dafür, letzte Fragen zu beantworten, die beispielsweise zur Herkunft seiner Bilder und noch einmal geht es um sein Tagebuch. Inzwischen nämlich hat Bryan bestätigt, was bislang nur vermutet wurde und es ist wahr, der Obdachlose, der früher auch schon gefilmt hat, dokumentierte sein Leben auf der Straße mit einer kleinen Tagebuchkamera und interviewte auch andere Obdachlose.
Gepostet von Max Bryan am Mittwoch, 13. Juni 2012
„Ich traf Menschen in bitterer Armut. Leute, die seit Jahren schon auf der Straße leben. Klaus, Wolle, Stephan, Thommy und Martin und die Motive wurden fühlbarer“, heißt es im Reisebericht des Obdachlosen Max Bryan. Über den Kontakt mit anderen Menschen, das intensive Erleben von Not und Armut, habe sich auch seine Liebe zum Bild vertieft und sein „Tagebuch wurde klarer“, heißt es.
– Armut zeigt Gesicht –
„Zeige mir Dein Gesicht und zeige mir Deine Armut. Zeige mir Dein Leben und Deine Stadt. Zeige mir die Not und die Angst und auch die Ausweglosigkeit“, so hat der obdachlose Bryan seine Kumpels angesprochen und sie gebeten, ihre Geschichte zu erzählen und es gehe um „teilbares Glück“, sagt Bryan.
Schicksalhaft auch, wie ein Mann vom Film den damals noch Wohnungslosen auf seinem Weg zum Schlafplatz entdeckte, ein Zufall, wie ihn wohl nur das Leben schreibt. Bryan, der keine Wohnung hat, sucht einen Umweg über die Bernhard-Nocht-Straße zu seinem Schlafplatz im Hafen und trifft zufällig auf Tamo Kunz, ein nicht unbedeutender Szenenbildner aus Hamburg. Bryan fragt ihn nach dem Weg und die beiden kommen ins Gespräch. Als Kunz die Kamera dann entdeckt, wird schnell klar, dass Bryan einen Schatz mit sich herumträgt und der Mann vom Film lädt den Obdachlosen zum Essen ein. Aus dem Treffen wird schnell mehr und erste Medien berichten über eine mögliche Sensation. Derzeit sichtet Kunz das komplette Datenarsenal des Obdachlosen, der seine Kamera offenbar im Rucksack mit sich trug, während er Nachts draußen schlief
– Mann vom Film –
Ob die Bilder des Obdachlosen Max Bryan auch verwertbar sind, ist allerdings noch fraglich. Zur Stunde ist völlig unklar, ob die Aufnahmen auch sendetauglich sind und was genau damit passieren soll. „Vielleicht eine Veröffentlichung, vielleicht auch ein Film“, so genau stehe das noch nicht fest, heißt es bei Facebook Max Bryan, der anfangs gar nicht vor hatte, das Material zu veröffentlichen.
Sollte es dennoch dazu kommen, könnte das Ergebnis bahnbrechend sein. Noch nie hatte ein Obdachloser die Subjektive seines Lebens in diesem Umfang festgehalten und dokumentiert. Allein das könnte ein Novum sein, vielleicht auch ein Meilenstein, das alles bleibt abzuwarten.
http://www.telenewsnet.com/tvdesk/Leute/Obdachloser-MaxBryan-Hamburg-Matussek-Videotagebuch.html
Foto: Facebook / Max Bryan