Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr hat die Rede von Bundespräsident Joachim Gauck über die Streitkräfte begrüßt. „Ich freue mich erstens, dass der Bundespräsident die Frage der Anwendung militärischer Gewalt in der heutigen Zeit thematisiert und damit der sicherheitspolitischen Debatte einen weiteren Anstoß gegeben hat“, sagte Generalleutnant Rainer Glatz der Tageszeitung „Die Welt“. „Zweitens freue ich mich über seine Anerkennung der Leistungen unserer Soldaten in den Auslandseinsätzen.“
Das hätten sie eindeutig verdient für den Dienst, „den sie im Auftrag unserer Bürger für uns Land unter Entbehrungen und teils hohem Risiko leisten“. Für Rainer Glatz, der seit 2009 das Einsatzführungskommando in Potsdam leitet, sind die Anforderungen an Soldaten heute „höher als je zuvor in der Geschichte der Bundeswehr“. „Soldatsein im 21. Jahrhundert geht weit über die Kernbefähigung zum Kämpfen hinaus“, sagte der Generalleutnant weiter. „Die tatsächliche Ausübung des Berufes mit allen, auch schwerwiegenden Konsequenzen wie Tod und Verwundung steht heute mehr im Mittelpunkt, insbesondere bei vielen jungen Kameraden.“ Die Soldaten müssten zeitweise unter enormem Risiko handeln, unter großer physischer und psychischer Belastung, hohem Zeitdruck „und permanent unter den Augen der Weltöffentlichkeit“. Aus seiner Sicht könne im Einsatz nur jemand bestehen, der einen festen Wertekanon habe, der auf das Grundgesetz zurückgehe, sagte Glatz. „Und er muss charakterfest sein. Sonst kann er nicht bestehen.“ Glatz warnte vor einer Entfremdung zwischen Bundeswehr und Bevölkerung. Die deutsche Gesellschaft sei aufgrund historischer Erfahrungen von einem erkennbaren Desinteresse an militärischen Fragen geprägt und stehe mit der Aussetzung der Wehrpflicht vor einer weiteren Zäsur. „Ich sehe durchaus die Gefahr, dass sich die Gesellschaft noch weiter von ihrer Armee distanzieren könnte“, sagte er. „Die persönliche Betroffenheit ist in großen Teilen der Gesellschaft nicht mehr so vorhanden wie zu Zeiten einer früher fast 500.000, die jetzt auf 185.000 Soldaten abschmilzt.“ Für künftige Einsätze der Bundeswehr verlangte der Befehlshaber „ein klar umrissenes Mandat mit realistischer Zielsetzung und entsprechender Ressourcenzuweisung“. Zudem verlange es die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung, die zu Grunde liegenden nationalen Interessen und auch multinationalen Verpflichtungen Deutschlands deutlich zu benennen. Politiker müssten schließlich „persönlich mitverantworten, dass militärische Mittel eingesetzt werden, die auch schwerwiegende ethische Konsequenzen nach sich ziehen können, wie die Verantwortung über Leben und Tod“, begründete Glatz. Die offene Diskussion über diese Gewaltdimension sei eine der „entscheidenden Fragen der nächsten Jahre für die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr“ in möglichen künftigen Auslandseinsätzen. Allerdings könne die Politik mit dem Einsatz von Soldaten in der Regel nur die Zeit kaufen, die sie benötigt, um mit nichtmilitärischen Mitteln an die Bewältigung der Konfliktursachen heranzugehen.