Im Bewerbungsverfahren ist die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung auch aufgrund der Regelungen des AGG bekanntlich nur ausnahmsweise zulässig.
Für die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag im bereits bestehenden Arbeitsverhältnis hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Arbeitgeber nunmehr ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse zugestanden. Diese Frage ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf von 6 Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für Behinderte, zulässig. Das BAG hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem ein vorläufiger Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Arbeitgeberstellung die Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen durch die Verteilung eines Fragebogens befördern wollte.
Nach den Ausführungen des BAG war die insoweitige Befragung zuzulassen, da es dem Arbeitgeber hierdurch erst ermöglicht wurde, sich rechtstreu zu verhalten. Es wird ausgeführt, dass die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung zeigt, dass er sich an seine gesetzlichen Verpflichtungen, die zum Schutz des Schwerbehinderten bei einer Kündigung bestehen, halten möchte.
Die Frage nach der Schwerbehinderung vor einer beabsichtigten Kündigung diskriminiert behinderte Arbeitnehmer auch nicht im Vergleich zu nicht behinderten Arbeitnehmern. Behinderte Arbeitnehmer werden durch diese Frage gegenüber nicht behinderten Arbeitnehmern nicht zurückgesetzt. Die Frage dient vielmehr der Wahrung der Rechte und Interessen der Schwerbehinderten, beispielsweise auch im Zusammenhang mit den Pflichten des Arbeitgebers zur behindertengerechten Beschäftigung, der Zahlung einer Ausgleichsabgabe und der Gewährung von Zusatzurlaub.
Das BAG sah in seiner Entscheidung auch keine datenschutzrechtlichen Belange des Klägers berührt, welche der Zulässigkeit der Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis entgegenstehen könnten. Ebenfalls sah das BAG auch keine Verletzung des Rechts des schwerbehinderten Klägers auf informationelle Selbstbestimmung.
Im Rechtsstreit hatte der schwerbehinderte Arbeitnehmer die Frage nach seiner Schwerbehinderung im Vorfeld der Kündigung wahrheitswidrig verneint. Dies führte dazu, dass es ihm im Kündigungsschutzprozess unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt wurde, sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.
BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 553/10
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