Eine Abklärung zur Widerstandsbewegung gegen Hitler
In der einschlägigen zeitgeschichtlichen Literatur schien es bisher eine nicht eindeutig genug beantwortete Frage, in welchem Maß und mit welchem Engagement der Reichskriminaldirektor und SS-Gruppenführer Arthur Nebe in die Widerstandsbewegung gegen Hitler involviert war. Das historische Sachbuch „Der Doppelspieler“ von Walter Kiess (http://www.gatzanis.de/unsere-buecher/der-doppelspieler-1.html)geht dieser Frage im Einzelnen nach und schildert in narrativer Form, wie weit sich Nebe in den verschiedenen Phasen seiner Nazi-Karriere mit der Widerstandsbewegung eingelassen hat.
Sein Erlebnis des sogenannten „Röhmputsches“ hat ihm als gläubigen Parteigenossen im Juni/Juli 1934 die verbrecherische Seite des Dritten Reiches vor Augen geführt. Er konnte, wie er sich seinem Freund Gisevius gegenüber äußerte, Hitler als den Hauptschuldigen der Mordexzesse und Göring, Himmler und Heydrich als dessen verbrecherische Helfer erkennen. Aber er war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht gewillt, aus dieser Einsicht Konsequenzen zu ziehen. Erst als er in der Blomberg-Fritsch-Krise im Frühjahr 1938 die intriganten Winkelzüge der Heydrich“schen Gestapo gegen den Freiherr von Fritsch, den damaligen Oberbefehlshaber des Heeres, erkannte und dessen Verteidiger einen wichtigen Wink zur Aufklärung der Intrige gab, stellte er sich auf die Seite der Oppositionellen gegen das Nazi-System.
Von seinem Freund Gisevius wurde er dann in die „Septemberverschwörung“ 1938 einbezogen. Er machte dem Kreis der Verschwörer mit Aufstellungen und Lageskizzen der Garnisonen der SS-Verfügungstruppen und der Konzentrationslagern mit den SS-Totenkopfverbänden wichtige Angaben für den geplanten Staatsstreich. Und er trug mit den Aktivisten des Berliner Verschwörerkreises Oster, Gisevius und Dohnanyi Belege über die Verbrechen der Gestapo und des SD zusammen. Außerdem erklärte er sich bereit, während des Putsches für ein Stillhalten der Kriminalpolizei zu sorgen. Indem er weiterhin als SS-Führer Himmlers und Heydrichs Befehle ausführte und zugleich auf der Seite der Verschwörer stand, nahm sein schon früher begonnenes Doppelspiel nun festere Formen an. Allerdings hat das Münchner Abkommen vom 29./30.September 1938 den Staatsstreich verhindert. Doch war Nebe nun in einer geheimen Studie, die Oster in dieser Zeit anfertigte, als Mithelfer eines beabsichtigten Putsches festgehalten und, wie sich beim „Zossener Aktenfund“ vom September 1944 herausstellte, für später schwer belastet.
Dass er sich mit dieser oppositionellen Einbindung in der darauffolgenden Zeit in die mörderische Euthanasie-Aktion verstrickte und am Anfang des Rußlandkrieges als Chef der Einsatzgruppe B zum Massenmörder wurde, ist vom Standpunkt der Opposition aus gesehen eine unfassbare Geschichte, die aber für sein Doppelspiel kennzeichnend ist.
Eigentlich hätte Nebes oppositionelle Rolle im Staatsstreich des 20. Juli 1944 kulminieren können. Er zeigte sich bei den Staatsstreichvorhaben am 11. und 15. Juli willens, für die Verschwörer zwei Exekutivgruppen von Kriminalbeamten als Helfer bei der Besetzung der Ministerien und zur Verhaftung von prominenten Nazis bereit zu stellen. Als es aber am 20. Juli ernst wurde, blieben die beiden mit der Opposition taktierenden Polizeioberen, der Berliner Polizeipräsident Graf von Helldorff und der Chef der deutschen Kriminalpolizei Arthur Nebe so gut wie untätig. Auf die putschenden Truppen und Panzer, die nicht kamen, wartend, nahmen sie tatenlos den Fehlschlag des gewagten Unternehmens bei einer Tasse Tee zur Kenntnis.
Nebe, der sich seiner wenn auch peripheren Verwicklung in das Geschehen bewusst war, suchte nach einem viertägigen Abwarten sein Heil in der Flucht und in einem Versteck. Als die Gestapo ihn als Verräter erkannt und endlich durch die Aussage einer von ihm verschmähten Frau zur Strecke gebracht hatte, zeigte er sein wahres Gesicht. Anstatt sich wie die wahrhaften Verschwörer, wie ein Ewald von Kleist-Schmenzin, zum Komplott gegen die Nazi-Barbarei zu bekennen und sich als Widerständler zu outen, gab er, vor den Volksgerichtshof gestellt und von diesem zum Tode durch den Strang verurteilt, ein Bild des Jammers und der Würdelosigkeit ab.
So bleibt als Fazit seines Doppelspiels am Schluss festzustellen: Dieser Mann, der sich in seinem Bestreben, auf beiden Seiten mit dabei zu sein, mit der einen Seite so weit eingelassen hat, dass er der Rachsucht der anderen Seite nicht entgehen konnte, dieser würdeloser Mann hat kein Anrecht, in die Ehrenliste der Toten des 20. Juli aufgenommen zu werden.
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