Die Forderung einiger Grünen-Politiker, das deutsche Kirchensteuer-System durch eine Kulturabgabe nach italienischem Vorbild zu ersetzen, stößt in Politik und Kirchen auf breite Kritik. „Untauglich“ sei die Idee, sagte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, Hans Michael Heinig, im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstagausgabe). Die Kulturabgabe, so Heinig, „würde zu einer viel engeren Verbindung zwischen den Kirchen und dem Staat führen“.
Zur Begründung sagte der Göttinger Staatsrechtler: „Während bislang die Kirchen selbst über die Höhe der Kirchensteuern bestimmen, müsste die Kulturabgabe vom Staat festgesetzt werden. Somit würde der Staat in die kirchliche Finanzplanung eingreifen und die Kirchen gerieten in neue Abhängigkeit vom Staat.“ Ebenfalls abgelehnt wird die Kulturabgabe vom Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten: „Die Kirchensteuer ist keine Steuer des Staates, der Staat verdient nur daran. Mit dem deutschen Staatskirchenrecht wäre eine Kulturabgabe nicht vereinbar“, sagte Jüsten der „Welt“. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Erzbischof Robert Zollitsch, äußerte sich in dem Blatt ablehnend zur Idee einer Kulturabgabe: „Die Kirchensteuer ist ein Finanzbeitrag der Kirchenmitglieder für ihre Kirche. Es handelt sich auch nicht um eine Subvention, sondern um ein Mittel der Selbstfinanzierung der Kirche durch ihre Mitglieder. Auch nicht um ein Geschenk des Staates.“ Kritik kam ebenso von Union und SPD. „Man kann die Leistungen der Kirchen nicht auf eine Ebene mit den Angeboten anderer kultureller Institutionen stellen. Der Staat profitiert enorm vom Handeln der Kirchen, und das kann nicht ersatzweise von anderen übernommen werden“, sagte die kirchenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Maria Flachsbarth (CDU), der „Welt“. „Daher“, so Flachsbarth, „lehnt die Union die Kulturabgabe an und hält an der Kirchensteuer fest.“ Die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, bezweifelt zudem das von den Kulturabgabe-Befürwortern vorgebrachte Argument, dass eine Zahlungspflicht für alle unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft die Menschen daran hindern könnte, aus Spargründen aus der Kirche auszutreten. Zumindest im katholischen Bereich träten die Menschen „nicht vorrangig wegen der Kirchensteuerpflicht aus, sondern vor allem wegen der Empörung etwa über die Missbrauchsskandale“, sagte Griese der „Welt“. Im Übrigen, so die evangelische SPD-Politikerin Griese weiter, dürfe „die tatsächliche Unterfinanzierung vieler sozialer und kultureller Institutionen – ob kirchlich oder nicht – nicht durch eine zusätzliche Abgabe für alle behoben werden“. Vielmehr müssten „die Starken in dieser Gesellschaft mehr beitragen, und zwar durch einen höheren Spitzensteuersatz im staatlichen Steuersystem“. Vorgeschlagen hatten die Kulturabgabe unlängst einige Politiker der Grünen, zu denen ihr Finanzpolitiker Gerhard Schick, ihr religionspolitische Sprecher Josef Winkler und die Berliner Landesvorsitzende Bettina Jarasch gehören. Sie plädierten in einem Positionspapier zum Katholikentag für einen „Reformweg, der sich am italienischen Vorbild einer Kulturabgabe orientiert, welche alle Menschen an eine gemeinnützige Institution ihrer Wahl entrichten“.