Beim Mordanschlag auf die Polizisten Michèle K. und Martin A. in einem Streifenwagen am 25. April 2007 in Heilbronn soll es eine schwere Ermittlungspanne gegeben haben. Das berichtet die Tageszeitung „Die Welt“ (Samstagausgabe) unter Berufung auf den Ermittlungsbericht des baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA) zu dem Attentat. Die Polizei hatte kurz nach den beiden Schüssen auf dem städtischen Festplatz Theresienwiese gegen 14 Uhr an Ausfallstraßen der Stadt eine Ringfahndung eingeleitet.
An dem Kontrollpunkt Oberstenfeld Richtung Autobahn notierten Beamte am Tattag 20 Kennzeichen von auffälligen Fahrzeugen, darunter gegen 14.37 Uhr ein Wohnmobil mit einer Chemnitzer Nummer. Die Fahnder beabsichtigten daraufhin, die Fahrzeughalter zu ermitteln. Aber dieser Schritt, so der LKA-Bericht vom 29. April 2010, wurde „zurückgestellt“ – und auch später nicht gemacht. Die Tat wird dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) aus Zwickau zugerechnet. Das Wohnmobil hatte das NSU-Mitglied Uwe B. in Chemnitz angemietet. Dazu verwendete er Personaldokumente, die auf den damals im Raum Hannover wohnenden Holger G. ausgestellt waren. Der frühere Rechtsextremist, der jetzt als Beschuldigter in Untersuchungshaft sitzt, war einst ebenso wie die Angehörigen der Terrorzelle im Neonazi-Netzwerk Thüringer Heimatschutz engagiert. Hätten die Fahnder ihn im Jahr 2007 danach befragt, ob er am Tattag in Heilbronn war, wären Ungereimtheiten aufgefallen. Denn Holger G. ging in Niedersachsen einer regelmäßigen Arbeit nach und konnte deshalb nicht gleichzeitig in Baden-Württemberg sein. Ferner hätte die Polizei dem Autoverleiher Fotos von Holger G. vorlegen können und wohl spätestens dann erfahren, dass eine andere Person das Wohnmobil angemietet hatte. Clemens Binninger, der Obmann der Unionsfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, sagte der „Welt“: „Durch die Ringalarmfahndung war man den Tätern so nah wie noch nie.“ Aber man habe es versäumt, die notierten Kennzeichen umfassend und konsequent zu überprüfen. „Das war ein verhängnisvoller Fehler. Mit dieser Spur hätte man das Terrortrio schon 2007 identifizieren können“, unterstrich Binninger. Der CDU-Politiker geht davon aus, dass die Täter „zwar gezielt“ in Heilbronn waren, sich dann aber „eher spontan“ zu dem Überfall auf die Polizisten entschlossen hätten. „Sie konnten nicht wissen, wann dort ein Streifenwagen auftaucht. Und sie konnten auch nicht wissen, wer im Wagen sitzt. Man wollte Polizisten attackieren, aber keine bestimmten. Es hätte jeden Kollegen treffen können“, sagte Binninger. Zu den in Heilbronn erbeuteten Polizeiwaffen hätten die NSU-Mitglieder B. und Uwe M. jedenfalls eine besondere Beziehung entwickelt. „Sie haben die Pistolen offenbar wie Trophäen auf ihren zahlreichen Reisen quer durch Deutschland mitgenommen“, sagte Binninger der Zeitung.