Zeitung: Seehofer geht Merkel aus dem Weg

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer geht aus Zorn über den anhaltenden Widerstand der CDU gegen das Betreuungsgeld der Bundeskanzlerin aus dem Weg. Das berichtet die Tageszeitung „Die Welt“ (Samstagausgabe). „Ich mache keinen Koalitionsausschuss mehr in Berlin, bis das Gesetz zum Betreuungsgeld vorliegt“, sagte Seehofer, wie mehrere Teilnehmer der Zeitung bestätigten, in der Sitzung des bayerischen Kabinetts am Mittwoch.

Demnach fügte er hinzu: „Ich bin derzeit für die Kanzlerin auch telefonisch nicht erreichbar.“ Eine Sprecherin der Landesregierung wollte diese Äußerungen auf Anfrage der „Welt“ zunächst weder dementieren noch bestätigen. Am Abend, nach einer Veröffentlichung auf „Welt Online“ dementierte sie dann, Horst Seehofer sei für die Kanzlerin grundsätzlich nicht zu sprechen. Seehofer fehlte am Donnerstagabend beim wichtigen „Kamingespräch“ aller Ministerpräsidenten von CDU und CSU mit der Kanzlerin, das vor jeder Bundesratssitzung stattfindet. Der Koalitionsausschuss, der aus den führenden Politikern von CDU, CSU und FDP besteht, hatte sich zuletzt Anfang März getroffen. Einen Termin für das nächste Treffen gibt es noch nicht. Mit seinem Boykott der Koalitionsarbeit blockiert Seehofer wichtige Projekte der Koalition. So hatte Kanzlerin Merkel unlängst angekündigt, in dem Gremium über die Einführung eines Mindestlohns diskutieren zu wollen. Seehofer will Merkel so lange meiden, bis sie die Kritiker des Betreuungsgeldes in der CDU auf Linie gebracht hat. In einem Gespräch zwischen hochrangigen CDU- und CSU-Politikern am Donnerstag lehnten die Bayern jeden Kompromiss kategorisch ab: „Es gibt jetzt keine Verhandlungen mehr.“ Die CSU verwarf auch den von der Kanzlerin angeregten Kompromiss einer Rentenerhöhung für Mütter und besteht auf einer Barauszahlung. Auch die Andeutung der CDU, die Kanzlerin werde bald ein Machtwort sprechen, stellte die CSU nicht zufrieden. Daran glaube man nicht mehr, bis man es erlebe. In der „Welt am Sonntag“ wirft Seehofer der CDU außerdem Gegenpropaganda vor: „Am besten noch in dieser Woche sollte ein Gesetzestext vorliegen. Ich habe das Gefühl, dass manche nicht merken, dass wir schon jetzt eine sehr ernsthafte Belastung der Koalition haben“. Seehofer erinnerte daran, dass die Koalition sich in einem Kompromiss auf das Betreuungsgeld geeinigt habe: „Wir müssen uns auf ein gegebenes Wort verlassen können. Die FDP steht zu der Verabredung, das ist professionell. Dass laut Meinungsumfragen die Mehrheit der Bürger gegen die Leistung ist, führt der CSU-Politiker auf gezielte Falschinformation zurück: „Umfragen in Bayern zeigen ein anderes Bild als die deutschlandweiten. In Bayern sind zwei Drittel für das Betreuungsgeld. Dass die Umfragen im Rest Deutschlands anders ausfallen, liegt vielleicht auch an einer Propagandawelle gegen das Projekt – auch aus der CDU“, sagte Seehofer der Zeitung. Man muss sich nicht darüber wundern, „wenn mit Falschinformationen – wie mit dem Begriff „Herdprämie“ – gearbeitet wird“.