160 Ökonomen rufen zum Euro-Protest auf

In einem öffentlichen Aufruf haben 160 deutschsprachige Wirtschaftsprofessoren die Beschlüsse des EU-Gipfeltreffens der vergangenen Woche als falsch verurteilt und rufen zum Euro-Protest auf. „Wir sehen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge“, heißt es in dem Aufruf, über den die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z .) berichtet. Deutschland und die soliden Länder würden gepresst, ihre Haftungssummen immer weiter auszudehnen.

„Streit und Zwietracht mit den Nachbarn sind dann vorprogrammiert. Weder der Euro noch der europäische Gedanke als solcher werden durch die Erweiterung der Haftung auf die Banken gerettet“, warnen die Ökonomen laut F.A.Z. Initiator des Protestbriefes ist der Dortmunder Wirtschaftsstatistiker Walter Krämer. Er hat den Aufruf zusammen mit dem Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn verfasst, der seit längerem zu den scharfen Kritikern der Euro-Rettungspolitik zählt. Der Massenappell prominenter Ökonomen verleiht dem nun mehr Gewicht. Zu den Unterzeichnern zählen etwa Kai Konrad, der Vorsitzende des Wissenschaftlerbeirats von Finanzminister Wolfgang Schäubles, der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, der frühere DIW-Präsident Klaus Zimmermann, der ehemalige sächsische Ministerpräsident und Finanzprofessor Georg Milbradt, der österreichische Wirtschaftsberater Bernhard Felderer. Auch mehrere deutsche Professoren, die im Ausland lehren wie der Makroökonom Harald Uhlig von der Universität Chicago, haben unterschrieben. Die Ökonomen wollen die Bürger und die Politik aufrütteln, welche Gefahren drohten. Die Bankschulden seien fast dreimal so groß wie die Staatsschulden. „Es ist schlechterdings unmöglich, die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas für die Absicherung dieser Schulden in die Haftung zu nehmen, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind“, heißt es in dem offenen Brief an die „lieben Mitbürger“. Nach Einschätzung der Ökonomen werden nicht der Euro, sondern die Gläubiger der maroden Banken gerettet. Beim EU-Gipfel hatten besonders Spanien und Italien starken Druck auf Deutschland ausgeübt zuzustimmen, dass der künftige Euro-Krisenfonds ESM auch direkt Kapital an angeschlagene Banken vergeben kann. Zudem sollen Krisenländer Hilfskredite ohne besondere Auflagen erhalten dürfen. Diese Entscheidungen, „zu denen sich die Kanzlerin … gezwungen sah“, seien falsch und gefährlich, warnen die 160 Wirtschaftsprofessoren, wie die F.A.Z. schreibt. „Die Politiker mögen hoffen, die Haftungssummen begrenzen und den Missbrauch durch eine gemeinsame Bankenaufsicht verhindern zu können. Das wird ihnen aber kaum gelingen, solange die Schuldnerländer über die strukturelle Mehrheit im Euroraum verfügen.“ Von den Gipfelbeschlüssen, so die Unterzeichner, profitierten vor allem Investoren an den angelsächsischen Finanzplätzen wie der Wall Street oder der Londoner City sowie marode in- und ausländische Banken. Die „Sozialisierung der Schulden“ löse nicht dauerhaft die aktuellen Probleme.